Eine Neonazi-Festnahme erhöht die Erfolgsaussichten auf das NPD-Verbot. Beobachteten Verfassungsschützer den Mord an der Polizistin?

Berlin. Den "Godfather of Nazis", den Paten aller Nazis, nannte man ihn in der Szene. Für ostdeutsche Rechtsradikale war der Neonazi und Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben eine zentrale Figur. Seit Dienstag sitzt Wohlleben in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle mit Munition und einer Waffe versorgt zu haben.

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Doch jetzt bekommt der Fall Wohlleben eine weitere Dimension: Sollten sich die Beschuldigungen erhärten, wäre das eine erste Querverbindung zwischen Rechtsterroristen und der NPD. Unter Bundespolitikern zeichnet sich daher ein Stimmungswechsel zugunsten eines neuen Anlaufs für ein NPD-Verbot ab: "Durch die Festnahme des NPD-Funktionärs Ralf W. steigen die Chancen auf ein neues NPD-Verbotsverfahren", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Die Unterstützung des rechtsextremen Netzwerks zeige, dass die NPD in Teilen gewaltbereit sei. "Das ist jetzt ein Beweis, der erbracht worden ist, dass die NPD eine verfassungswidrig handelnde Partei ist." Auch der Vertreter der Grünen, Christian Ströbele, erklärte, seinen Widerstand gegen ein Verbot der NPD aufgeben zu wollen, wenn sich bestätige, dass ein NPD-Landesverband eine Terrorgruppe unterstützt habe.

Auch in der Bundesregierung bröckelt die Zurückhaltung. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte: "Wenn es sich herausstellen sollte, dass die NPD Kontakte zu dieser Zelle hatte, dann wird das natürlich ein wichtiges Argument sein, eines der Argumente, mit denen man auch im Verbotsverfahren der NPD dann eventuell argumentieren könnte." Ob es einen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbot geben soll, werde derzeit geklärt, betonte Friedrich. Der erste Anlauf für ein Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht daran gescheitert, dass die NPD bis in die Führung hinein massiv mit V-Leuten von Bund und Ländern unterwandert war. Friedrich erwägt einen neuen Anlauf, bei dem nur eine gewisse Anzahl von V-Leuten oder von Spitzeln auf einer bestimmten Führungsebene abgeschaltet werden soll.

"Wenn dieses Verfahren kommt, dann muss es erfolgreich sein", betonte Friedrich. Zugleich erneuerte er seine Forderung nach einer Neuregelung der 2010 vom Verfassungsgericht gekippten Vorratsdatenspeicherung. Bisher scheitert er mit seinen Plänen am Widerstand von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Dafür hat sich die Liberale nun mit einer anderen Forderung Friedrichs angefreundet: eine zentrale Datei für gefährliche Neonazis. Sie sei damit einverstanden, wenn mit Hilfe einer zusammengeführten Datenbank die Informationen über Neonazis, Kameradschaften und gewalttätige Rechtsextreme verbessert werden könnten, sagte die Ministerin gestern im Deutschlandradio.

Befeuert wird die Debatte um den Kampf gegen rechts auch durch einen Bericht der "Berliner Zeitung". Deutsche Behörden sollen in den vergangenen beiden Jahren mehr als 800 Waffen bei Rechtsextremisten sichergestellt haben. Das gehe aus einer aktuellen Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, schreibt die Zeitung. Demnach wurden dem Bundeskriminalamt (BKA) 2009 und 2010 insgesamt 811 Waffenfunde aus dem Bereich der rechtsextrem motivierten Kriminalität gemeldet.

Unter den sichergestellten Waffen waren in den vergangenen Jahren laut BKA auch 15 Faustfeuerwaffen, 16 Langwaffen und sogar acht Kriegswaffen. In dieser Zeit fand die Polizei bundesweit zudem 40 Spreng- und Brandvorrichtungen bei rechtsextremen Gruppierungen.

Der "Stern" berichtete unterdessen, bei dem Heilbronner Polizistenmord, der den Zwickauer Neonazi-Terroristen zur Last gelegt wird, seien möglicherweise Verfassungsschützer Augenzeugen gewesen. Dies lege ein geheimer Observationsbericht eines amerikanischen Geheimdienstes nahe. Der US-Militärgeheimdienst DIA habe zusammen mit zwei deutschen Verfassungsschützern mutmaßliche Islamisten observiert. Die Beobachtung sei aber am 25. April 2007 - dem Tag des Anschlags auf zwei Heilbronner Polizisten - wegen eines "Zwischenfalls mit Schusswaffen" abgebrochen worden, so der "Stern". In den Vorfall sei laut Protokoll neben Rechtsradikalen und einer Polizeistreife auch ein Beamter aus Baden-Württemberg verwickelt gewesen.