Neonazi Ralf Wohlleben als mutmaßlicher Helfer der Zwickauer Terrorzelle unter Verdacht – Nachbarn schildern ihn als unauffällig

Jena. Das Wohngebiet entlang des Jenaer Burgwegs ist ein ruhiges Pflaster. Einfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten prägen das Bild, man kennt sich untereinander. In den vergangenen Tagen kamen die Anwohner jedoch nicht mehr zur Ruhe. Seit der bekannte Rechtsextremist Ralf Wohlleben wegen möglicher Verbindungen zur Zwickauer Terrorgruppe ins Visier der Ermittler geraten ist, stehen immer wieder Filmteams und Reporter vor der Tür.

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So ist es auch am Dienstag, nachdem Wohlleben als mutmaßlicher Helfer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) festgenommen wurde. Bereits am Donnerstag hatten die Ermittler seine Wohnung durchsucht. Wohlleben wird verdächtigt, die Gruppe unterstützt und den zeitweise untergetauchten Rechtsextremisten eine Waffe besorgt zu haben. Nun sitzt er in Untersuchungshaft.

Von der Festnahme am frühen Morgen haben die Anwohner offenbar nichts mitbekommen, zumindest will sich niemand dazu äußern. Das große Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Nachbarn ärgert sie aber. Sie sehen ihre Stadt in Verruf gebracht.

„Was erwarten Sie, dass wir sagen, dass der Wohlleben nachts immer heimlich Hakenkreuze an die Wände geschmiert hat?“, kommentiert ein aufgebrachter Nachbar das Geschehen. Wohlleben und seine Frau seien ganz normale Leute gewesen. Unauffällig und höflich, mit zwei kleinen süßen Kindern. „Man kannte sich halt vom Sehen.“ Das Schlimmste sei der Schaden, der Jena nun entstehe, sagt der Nachbar.

„Jetzt stehen wir alle da wie ein Nazi-Pfuhl, dabei ist Jena eine weltoffene Stadt mit Hunderten von Studenten aus aller Welt.“ Wenn es wahr sei, was die Polizei Wohlleben vorwerfe, müsse der Mann natürlich verurteilt werden. Dass die Nachbarschaft und die ganze Stadt aber nun in Misskredit gerieten, sei ungerecht. Auch bei ihm stehe das Telefon nicht mehr still, sagt der Nachbar. „Ständig rufen Leute von irgendwelchen Fernsehsendern an, teilweise in einem richtig rüden Ton, um etwas zu erfahren.“

Auch eine ältere Dame, die ihren Namen ebenfalls nicht nennen will, mischt sich in die Diskussion ein. „Ich wohne hier oben schon mein ganzes Leben. Dass hier so etwas passiert, hätte ich nie gedacht.“ Gekannt habe sie die Familie des Beschuldigten nicht, von dessen Engagement bei der NPD habe sie ebenfalls nichts gewusst. „Ich hoffe nur, dass hier bald wieder Ruhe einkehrt“, sagt sie.

Dabei organisierte der Mann, der nun als unauffälliger Nachbar erscheint, über Jahre hinweg die rechtsextreme Szene in Thüringen und tauchte deswegen mehrfach in den Berichten des Landesverfassungsschutzes auf. Aus seiner Gesinnung machte Wohlleben nie einen Hehl. Auf dem Portal „abgeordnetenwatch.de“ bekannte sich der damalige Bundestagskandidat der NPD 2005 offen zur Neonazi-Szene. Der Begriff Neonazi sei zu Unrecht negativ besetzt, es handele sich um Aktivisten, die außerhalb der NPD einen „Wandel in unserem Land“ zu erreichen versuchten. Die freien Kameradschaften bezeichnete Wohlleben als „politische Kräfte, die in unserem Sinne aktiv sind“.

Der 36-Jährige, der wegen Körperverletzung und Nötigung vorbestraft ist, trat seit Mitte der 90er-Jahre als Rechtsextremist in Erscheinung, machte Karriere als NPD-Landesvize und organisierte zahlreiche Rechtsrock-Konzerte sowie Treffen rechter Jugendliche in Thüringen. Der Informatiker kümmerte sich auch um die Vernetzung rechtsextremer Homepages und baute das sogenannte Braune Haus in Jena mit auf, das als überregionales Schulungszentrum für Neonazis diente.

Wohlleben war zudem einer der führenden Köpfe des „Thüringer Heimatschutzes“, dem auch die späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos angehörten. Weil er das Trio nach dessen Untertauchen 1998 unterstützt haben soll, ist er nach Auffassung der Bundesanwaltschaft dringend verdächtig, Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord der NSU-Terrorzelle geleistet zu haben.