Ralf Wohlleben ist ehemaliger NPD-Funktionär. War er Helfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)) Am Dienstagmorgen wurde er von Beamten des Landeskriminalamts Thüringen in Jena verhaftet.

Jena/Karlsruhe. In Jena ist ein weiterer mutmaßlicher Helfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) festgenommen worden. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der am Dienstagmorgen von Beamten des Landeskriminalamts Thüringen verhaftet wurde. Das teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Es liege ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH) gegen ihn vor. Der 36-Jährige ist nach Auffassung der Bundesanwaltschaft dringend verdächtig, Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord der NSU-Terrorzelle geleistet zu haben.

Nach bisherigen Erkenntnissen der Anklagebehörde war Wohlleben seit 1995 in rechtsextremistischen Kreisen in Thüringen aktiv. Er stand demnach bereits in den 1990er Jahren in enger Verbindung zu den drei NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe und soll diese bei ihrer Flucht 1998 und später auch finanziell unterstützt haben.

Außerdem vermittelte Wohlleben den Kontakt zwischen den untergetauchten NSU-Mitgliedern und dem schon seit dem 13. November inhaftierten Holger G., der ihnen Geld und Ausweisdokumente überließ. Der 37-jährige Holger G. war bei Hannover wegen Verdachts der Unterstützung der terroristischen Vereinigung festgenommen worden.

Zur aktuellen Festnahme des ehemaligen NPD-Mannes erklärte die Bundesanwaltschaft: „Aufgrund seiner anhaltenden Verbindung zu der unter falscher Identität lebenden Gruppe wusste er von ihren terroristischen Straftaten.“ Wohlleben sei zudem dringend verdächtig, dem NSU 2001 oder 2002 eine Schusswaffe und Munition verschafft zu haben. Er soll Waffe und Munition einem Kurier übergeben haben, der sie in seinem Auftrag der Zelle nach Zwickau brachte. Dabei nahm der Beschuldigte laut Anklagebehörde „billigend in Kauf, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte“.

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Noch heute soll Wohlleben dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der ihm den Haftbefehl eröffnen wird.

Erst am Donnerstag war der mutmaßliche Terrorhelfer Andre E. festgenommen worden. Der 32-Jährige aus Sachsen soll das menschenverachtende Propaganda-Video hergestellt haben, in dem sich die NSU zu neun Morden an ausländischen Kleinunternehmern und den Mordanschlägen auf zwei Polizisten in Heilbronn bekennt. Außerdem soll Andre E. im Mai 2009 zwei NSU-Mitgliedern ermöglicht haben, auf ihn und seine Ehefrau ausgestellte Bahncards zu nutzen. Andre E. soll seit 2003 „in engem Kontakt“ zur NSU gestanden haben.

Nach den bisherigen Erkenntnissen bildeten die am 4. November tot aufgefundenen Böhnhardt und Mundlos gemeinsam mit der inhaftierten Zschäpe seit 1998 den NSU.

Die Gruppierung soll bundesweit für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006, den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn vom April 2007 und zwei Bombenanschläge in Köln von 2001 und 2004 verantwortlich sein. „Zweck“ der Terrorgruppe sei es gewesen, aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft zu töten, so die Bundesanwaltschaft.

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Aufgrund der Festnahme des Rechtsextremisten Ralf Wohlleben in Jena rücken die Terrorermittlungen unmittelbar an die NPD heran. Der 36-Jährige gilt als langjähriger Weggefährte des 1998 untergetauchten Neonazi-Trios und war später jahrelang Mitglied im Thüringer Landesvorstand der NPD. Zusammen mit zwei weiteren Männern und den drei Bombenbauern gehörte er in den 1990er Jahren zunächst zur sechsköpfigen „Kameradschaft Jena“.

Ein Jahr nach dem Untertauchen seiner Bekannten trat Wohlleben nach Verfassungsschutzangaben Anfang 1999 in die NPD ein, wo er in Thüringen rasch Karriere machte: Mit Unterbrechungen sei er von 1999 bis Mitte 2008 Vorstandsmitglied gewesen – von Juli 2006 bis Mai 2008 sogar stellvertretender Landesvorsitzender in Thüringen. Bis etwa Anfang 2010 leitete er demnach außerdem mit Unterbrechungen den Kreisverband in Jena. Nach NPD-Angaben trat Wohlleben 2009 aus „persönlichen Gründen“ aus der Partei aus, ohne dass die NPD Konflikte als Ursache nannte.

In den Thüringer Verfassungsschutzberichten füllt er über Jahre hinweg Seiten – sowohl mit Aktivitäten für die NPD als auch für die „freie“ Szene: Er machte aus einem in der Stadt als „Braunes Haus“ etikettierten ehemaligen Gasthaus einen auch überregional genutzten Treffpunkt der rechten Szene, hielt Reden bei Kundgebungen in großen und kleinen Städten oder vor einem Asylbewerberheim, störte bei einer Ausstellung des Verfassungsschutzes und organisierte landesweite Treffs der Szene. Seine Aktivität sei einer der Belege für die Vernetzung von NPD und Neonaziszene in Thüringen, heißt es in einem der Verfassungsschutzberichte.

Nach einer Durchsuchung bei Wohlleben am Donnerstag vergangener Woche hatte er in Medien erklärt, dass das Bundeskriminalamt nicht genug Material gegen ihn in der Hand haben dürfte. Er habe die Untergetauchten nie unterstützt und seit 1998 auch keinen Kontakt mehr zu ihnen.

Mit Material von dpa und dapd