Nur Länder mit Top-Rating sollen künftig Anleihen aufnehmen können. Damit wären die Finanzhilfen für die Wackelkandidaten bezahlbar.

Brüssel/Berlin. Im Kampf gegen die Schuldenkrise arbeitet die Bundesregierung nach Informationen der "Welt" derzeit an konkreten Plänen, im Rahmen eines neuen Stabilitätsvertrags zwischen einzelnen Mitgliedern der Euro-Zone nicht nur strengere Haushaltsregeln, sondern auch die Einführung von "Elite-Bonds" durchzusetzen. Es liegen bereits erste Entwürfe vor, das Thema wird seit mehreren Wochen beraten, zuletzt beim Treffen der Finanzminister aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden am vergangenen Freitag in Berlin. Auch Großbritannien ist in die Beratungen einbezogen.

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Laut diesem Plan sollen die sechs Euro-Länder, die über die höchste Bonität (Triple A) an den Finanzmärkten verfügen, künftig gemeinsam Anleihen begeben, deren Zinssatz im günstigsten Fall zwischen 2,0 und 2,5 Prozent liegen soll. Mit diesen Anleihen sollen nicht nur die eigenen Schulden der Triple-A-Länder finanziert werden, sondern auch Hilfen für Wackelkandidaten wie Italien und Spanien. Das Geld könnte dem Euro-Rettungsschirm EFSF für Anleihenkäufe von Krisenländern zur Verfügung gestellt oder als Versicherung für die EZB bei Anleihenkäufen genutzt werden. In Verhandlungskreisen hieß es, es wäre aber auch denkbar, dass die Finanzagentur des Bundes, ergänzt um Experten anderer Triple-A-Länder, Anleihen von Krisenstaaten aufkauft. Das Ziel der neuen Bonds wäre es, die Lage der Triple-A-Länder zu stabilisieren und zugleich einen glaubwürdigen Schutzwall zu errichten, der "die Finanzmärkte beruhigt". Die Hilfen würden nur gegen harte Auflagen gegeben. Die neuen Bonds wären keine Gemeinschaftsanleihen, also Euro-Bonds, im klassischen Sinn. Ausdrücklich werden Krisenländer, deren Kreditwürdigkeit keine Bestnote hat, zunächst außen vor gelassen. Darum werden die Anleihen dieses sogenannten Berliner Klubs intern auch als Elite-Bonds, Kerneuropa-Bonds oder Triple-A-Bonds bezeichnet.

Kanzlerin Angela Merkel will auf dem EU-Gipfel am 8. Dezember in Brüssel eine Entscheidung herbeiführen. "Dies sind Schicksalstage für den Euro, wir brauchen Lösungen, die in zwei bis drei Monaten greifen", sagte ein hoher EU-Diplomat. Ob es allerdings wirklich zu einem Sondervertrag der Triple-A-Länder einschließlich der Elite-Bonds kommen wird, ist noch nicht entschieden. Denkbar wäre auch, dass es zur Anwendung von Artikel 352 des EU-Vertrags, der sogenannten Notstandsklausel, kommt. Dies hätte den Vorteil, dass der "Schutzwall" für Krisenländer schneller errichtet werden könnte und es keine faktische Verkleinerung der Währungsunion gebe. Für Merkel haben beide Optionen aber nicht höchste Priorität. Sie hofft immer noch darauf, eine Vertragsänderung für strikte Haushaltsregeln und eine gemeinsame Fiskalpolitik zu erreichen, der alle 27 EU-Länder zustimmen. Dies könnte ein Aufbruchsignal an die Finanzmärkte sein und die Lage der Krisenstaaten entspannen.

Angesichts der weiter steigenden Schuldenlast in Deutschland fordern Ökonomen auch von der Bundesregierung unterdessen einen konsequenten Konsolidierungskurs. "Wir machen derzeit den gleichen Fehler, den die Südeuropäer nach der Einführung des Euro begangen haben", warnt der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Italien oder Griechenland hätten den Vorteil niedriger Zinsen nicht genutzt, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Deutschland gilt in diesen Krisenzeiten als sicherer Hafen und profitiert deshalb zurzeit von ungewöhnlich niedrigen Zinsen für seine Staatsanleihen. "Wir sollten diesen Krisengewinn zur Konsolidierung nutzen, stattdessen wird er verfrühstückt." In der jetzigen Schuldenkrise sei der mangelnde Sparwille ein fatales Signal, mahnte der IW-Chef.

Auch der Leiter Wirtschaftspolitik im Kieler Institut für Weltwirtschaft, Henning Klodt, rügt die Bundesregierung. Deutschland habe "längst eine gefährliche Zone erreicht". Deutschland hat mehr als zwei Billionen Euro Schulden, die Quote liegt bei 81,1 Prozent. Allein der Bund sitzt auf einem Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro. Und im Jahr 2012 sollen noch 26,1 Milliarden Euro hinzukommen. Das sieht der Haushalt vor, den die schwarz-gelbe Koalition gerade beschlossen hat. Mit der Einführung der Schuldenbremse in die Verfassung habe man sich hierzulande zwar ein ehrgeiziges Konsolidierungsziel gesetzt, sagt Klodt. "Doch wir hatten in der Vergangenheit auch schon strikte Haushaltsregeln, die gebrochen wurden. Die Schuldenbremse bietet deshalb keine Garantie." Mit dem geplanten Anstieg der Neuverschuldung im nächsten Jahr riskiere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass Deutschland die Schuldenbremse, für die die Bundesregierung in Europa wirbt, am Ende selbst nicht einhalten könne, warnt der Finanzexperte.

Am Wochenende wurde bekannt, dass bei der Tilgung von Altschulden aus der Banken- und Wirtschaftskrise im laufenden Jahr eine ungeplante Pause eingelegt werden muss. Dies ergibt sich aus der Gesetzeslage und dem relativ niedrigen Bundesbank-Gewinn für 2010. Es geht um den Abbau der Schulden beim Investitions- und Tilgungsfonds, aus dem Konjunkturhilfen finanziert worden waren. Diese Rückzahlung läuft über die Bundesbank-Gewinne. Das entsprechende Gesetz sieht vor, dass aus dem im Jahr 2011 dem Bund zufließenden Bundesbank-Gewinn bis zu drei Milliarden Euro dem Haushalt zufließen. Erst Beträge darüber hinaus ständen zur Tilgung des Investitions- und Tilgungsfonds zur Verfügung. Da der Gewinn für 2010 allerdings nur bei 2,2 Milliarden Euro liegt, bleibt nichts für den Fonds übrig. Die Schuldenhöhe bei dem Fonds liegt laut "Wirtschaftswoche" noch bei 17,6 Milliarden Euro.