Nach Einstellung des Plagiatsverfahrens plant Ex-Verteidigungsminister Guttenberg sein politisches Comeback. Rückkehr vor Bundestagswahl 2013?

Berlin. Eines muss man Karl-Theodor zu Guttenberg lassen: Sein Timing ist perfekt. Erst trat der Ex-Verteidigungsminister am Wochenende im kanadischen Halifax mit neuer Frisur, Kontaktlinsen und harscher Kritik an den Euro-Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung auf. Dann verkündete der christliche Herder-Verlag, dass bald ein Buch erscheinen soll, in dem der CSU-Politiker mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo über Schuld und Sühne nach seiner Plagiatsaffäre spricht. Gestern nun hat die Staatsanwaltschaft Hof überraschend das Verfahren gegen Guttenberg eingestellt - gegen eine Zahlung von 20.000 Euro an die Deutsche Kinderkrebshilfe.

Das Geld hat Guttenberg bereits überwiesen. Weil er bereits im Vorfeld von dem glimpflichen Ausgang seiner Plagiatsaffäre wusste, konnte er auch die mediale Aufarbeitung eigenständig in die Wege leiten. Die "Zeit" veröffentlicht heute das erste Interview mit dem CSU-Politiker, quasi als Vorgeschmack auf das Buch. Darin macht Guttenberg klar, dass er noch große Pläne hat und auch - was viele bereits vermuten - bereits an einem politischen Comeback arbeitet. "Ich schließe nichts aus, aber es gibt bislang noch keine konkrete Intention", so der einstige Hoffnungsträger der Union. Aber, so der Ex-Minister weiter, er werde mit Sicherheit in sein Heimatland zurückkehren und ein politischer Kopf bleiben. Eine Rückkehr noch vor der Bundestagswahl 2013? Ausgeschlossen ist nichts.

In jedem Fall bleibt ihm jetzt ein peinliches Gerichtsverfahren erspart. Er gilt nicht als vorbestraft, dass er Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, wird nicht in sein polizeiliches Führungszeugnis eingetragen. Oberstaatsanwalt Reiner Laib erklärte jedoch, 23 kopierte Passagen in der Doktorarbeit seien strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße. Der wirtschaftliche Schaden der Urheber sei aber nur marginal. Bei der Staatsanwaltschaft waren 199 Strafanzeigen gegen Guttenberg eingegangen - hauptsächlich wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht. "Damit ist das Verfahren mit einem guten Ergebnis rechtskräftig erledigt", teilten Guttenbergs Anwälte mit.

Nach seinem Rücktritt im März ist Guttenberg in die USA gezogen, wo er seit Sommer mit seiner Familie lebt - und bereits an einer neuen Dissertation arbeiten soll. Die Uni Bayreuth hatte ihm wegen seines Plagiats den Doktortitel entzogen. Zu einem Schuldgeständnis kann sich der 39-Jährige bis heute nicht hinreißen: Überforderung und eine chaotische Arbeitsweise räumte Guttenberg ein. Den Betrugsvorwurf weist er aber weiterhin glatt zurück. "Wenn ich die Absicht gehabt hätte zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist."

+++ Kommentar: Gescheitert, aber nur vorerst +++

Die CSU hält ihrem einstigen Hoffnungsträger jedenfalls alle Türen offen. "Er gehört zu uns, wir wollen ihn", sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in einer ersten Reaktion. Später am Tag präzisierte er in einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion laut Teilnehmerangaben, dass die Partei derzeit gut aufgestellt und nicht auf Guttenberg angewiesen sei. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Abendblatt, sie gehe davon aus, "dass sich zurzeit nur die CSU nach Guttenberg sehnt, weil sie ihn als Überlebenshilfe braucht". Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens kritisierte sie heftig: "Mit 20.000 Euro kommt Karl-Theodor zu Guttenberg günstig davon", so Roth. Dafür, dass er erwiesenermaßen abgeschrieben und als Minister das Parlament belogen habe. "Das war alles andere als ein Kavaliersdelikt", betonte die Parteichefin. Das Familienvermögen der Guttenbergs wird auf mindestens 300 Millionen Euro geschätzt

Auch Guttenbergs Ehefrau Stephanie plant gerade ein Comeback : Im Dezember wird sie wieder im Fernsehen auftreten, wieder bei RTL 2, wieder in einem Kriminalmagazin. Nachdem es zuvor in "Tatort Internet" um die Jagd auf Kinderschänder gegangen war, widmet sich das Mitte Dezember ausgestrahlte Format "Tatort Deutschland" neben Pädophilen auch anderen Verbrechern. Moderator ist Hamburgs ehemaliger Innensenator Udo Nagel. Sind die Einschaltquoten gut, könnte es weitere Folgen geben, berichten Branchendienste. "Bei Erfolg" Fortsetzung nicht ausgeschlossen gilt jedoch nicht nur für Stefanie, sondern nun auch für ihren Gatten. Das neue Buch mit dem vielsagenden Titel "Vorerst gescheitert" steht ab kommenden Dienstag in den Regalen.

Chronologie der Plagiatsaffäre von Guttenberg

15. Februar 2011: Die "Süddeutsche Zeitung“ berichtet vorab über mögliche Plagiate in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Arbeit "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ wurde 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eingereicht. Guttenberg hatte dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.

16. Februar: In der "Süddeutschen Zeitung“ stehen erste Plagiatsbeispiele, die der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano festgestellt hat. Guttenberg weist die Vorwürfe noch als „abstrus“ zurück.

Kurz darauf berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe, dass die Einleitung der Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben sein soll. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.

17. Februar: Während Guttenberg die deutschen Truppen in Nordafghanistan besucht, werden in Deutschland fast stündlich neue Plagiatsvorwürfe laut. Erstmals werden Rufe nach einem Rücktritt laut. Im Internet wird eine Webseite für die Schummel-Recherche eröffnet. Unter "Guttenplag-Wiki“ sollen die Vorwürfe gegen den CSU-Politiker gesammelt und bewertet werden. Die Uni Bayreuth gibt Guttenberg 14 Tage Zeit für eine schriftliche Stellungnahme.

18. Februar: Erstmals gehen Strafanzeigen gegen Guttenberg wegen der Plagiatsvorwürfe ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt ihrem Minister Unterstützung für den Fall zu, dass er sich zu den Vorwürfen erkläre. In einem eilig einberufenen Pressestatement entschuldigt sich Guttenberg am Mittag für "Fehler“ und erklärt, er werde seinen Doktortitel bis zur Aufklärung durch die Uni Bayreuth nicht führen. Zugleich versichert er erneut: "Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“

21. Februar: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen die Plagiatsvorwürfe zum Thema im Bundestag machen. „Guttenplag-Wiki“ legt einen Zwischenbericht vor: Danach stehen 271 Seiten der Dissertation oder knapp 70 Prozent unter Plagiatsverdacht.

22. Februar: Der Wissenschaftsverlag Duncker und Humblot will Guttenbergs Doktorarbeit künftig weder ausliefern noch neu auflegen.

23. Februar: Die Universität Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel.

28. Februar: Wissenschaftler übergeben einen von 23.000 Doktoranden unterzeichneten offenen Brief an Merkel, in dem sie der CDU-Politikerin in der Plagiatsaffäre eine "Verhöhnung“ aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorwerfen. Ihre Haltung in der Debatte lege nahe, "dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele“.

Auch Guttenbergs Doktorvater Häberle geht nun auf Distanz zu ihm. Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände geeignet seien, den Ruf der Universität Bayreuth in Misskredit zu bringen.

1. März: Guttenberg gibt seine politischen Ämter auf, wie er in einem kurzfristig anberaumten Statement erklärt. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens“, sagt er. Hintergrund ist die Kritik aus Wissenschaft und Politik in der Plagiatsaffäre.

3. März: Guttenberg legt auch sein Bundestagsmandat nieder.

7. März: Die Staatsanwaltschaft Hof nimmt Ermittlungen gegen Guttenberg auf.

8. April: Die "Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass die Universität offenbar davon ausgeht, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat. Der "Nordbayerische Kurier“ schreibt, dass Guttenberg die Veröffentlichung des Universitäts-Berichts offenbar verhindern will.

15. April: Guttenberg hat kein politisches Mandat mehr. Der Kreistag des oberfränkischen Landkreises Kulmbach stimmt einstimmig Guttenbergs Antrag auf Niederlegung seines Amtes zu.

6. Mai: Jetzt ist es amtlich: Die Universität Bayreuth geht in ihrem Abschlussbericht davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht habe. "Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat“.

11. Mai: Die Universität stellt den über 80 Seiten langen Abschlussbericht inklusive einer Übersicht einiger der Zitierverstöße Guttenbergs in Bayreuth vor. "Evidente Plagiate“ hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden, erklärt der Vorsitzende der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, Stephan Rixen.

23. November: Die Staatsanwaltschaft Hof gibt bekannt, dass die Ermittlungen gegen Guttenberg gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wurden.