Extremisten der Weißen Wölfe und des Hamburger Nationalkollektivs schließen sich zusammen. Zulauf aus Neonazi-Milieu befürchtet.

Hamburg. Die Meldung, die der Hamburger Verfassungsschutz jüngst auf seiner Behörden-Homepage lancierte, hatte es in sich: "Seit mehreren Monaten ist in Hamburg eine neue rechtsextremistische Gruppe aktiv, die unter dem Doppelnamen 'Hamburger Nationalkollektiv/Weiße Wölfe Terrorcrew Sektion Hamburg' auftritt. Dabei handelt es sich um den Zusammenschluss zweier bisher eigenständig agierender Gruppierungen. Im Vergleich zu anderen Hamburger Neonazis treten sie ungewöhnlich offensiv und aggressiv auf." Mehrere gewalttätige Übergriffe sind bereits bekannt geworden. Die Gruppe strebe nach der Vorherrschaft in der Hamburger Neonazi-Szene, heißt es. Die Linke fordert ein Verbot der HNK/WWT. Beobachter befürchten, dass die Gruppe vor allem in Schülerkreisen versuchen wird, Mitstreiter zu rekrutieren, und so zu einem Wiedererstarken der ultrarechten Szene in der Hansestadt beitragen könnte.

Die Weiße Wölfe Terrorcrew, benannt nach einer Rechtsrock-Band, tauchte erstmals im Jahr 2008 mit einer eigenen Sektion in Hamburg auf - damals noch weitgehend ohne ideologischen Hintergrund.

Nach einer Grillfeier der Neonazis im Eilbeker Jacobi-Park war es zu einem massiven Polizeieinsatz gekommen. 28 Personen wurden festgenommen, zwei Polizeibeamte schwer verletzt. Einer der Anführer wurde daraufhin zu 14 Monaten Haft verurteilt. In der Folge fiel die Gruppe durch vereinzelte Taten auf. Ein Beispiel: In der Silvesternacht 2009/2010 bedrängten mehrere WWT-Mitglieder eine Schwarzafrikanerin. Sie beleidigten die Frau, schlugen ihr gegen den Kopf. Seit dem Frühjahr 2011, mit der Freilassung des verurteilten Haupttäters vom Jacobipark, wurden, so der Verfassungsschutz, alte Strukturen reaktiviert. Und nicht nur das.

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Mit dem Hamburger Nationalkollektiv (HNK), einem Verbund von Rechtsradikalen aus verschiedensten Teilen der norddeutschen Neonazi-Szene, unter anderem dem sogenannten Heimatschutz Team, gingen die "Wölfe" eine Verbindung ein. HNK-Mitglieder hatten zuvor offenbar mehrfach durch sogenannte nationale Domtreffen für Schrecken unter ausländischen Besuchern gesorgt, indem sie gezielt auf sie losstürmten. Seit Kurzem gibt sich die nun personell erstarkte Gruppe, der auch Rechtsextremisten aus Buchholz und Tostedt angehören sollen, einen ideologischen Überbau. Ihr Ziel formulieren die Extremisten so: "BRD zerschlagen. Volkstod stoppen."

Die Gruppe tauchte auf Nazi-Demos in Halle, Braunschweig und Peine, Bad Nenndorf und Dortmund auf. Im August veröffentlichte der Zusammenschluss ein Video mit dem Titel "Hamburg Aktionswoche Volkstod Stoppen". Darin ist unter anderem zu sehen, wie Gruppenmitglieder ein Banner mit der Aufschrift: "Während du feierst stirbt dein Volk" über die Leuchtreklame des Hamburger Doms hängen. In der Europa-Passage entrollten Mitglieder laut Verfassungsschutz ein Transparent mit dem Satz "Wer hat unser Volk verraten? Die Demokraten". Dazu warfen sie Flugblätter in die Menge der Einkaufenden. Zu den Bildern des Videos läuft das Lied "Mehrheit" der rechtsextremistischen Band Hassgesang.

Laut Verfassungsschutz gehören derzeit etwa 30 Personen zu der Gruppe. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen rechtsextremen Gruppierungen sei hier aber ein Zulauf zu befürchten, so der Verfassungsschutz. Zudem fielen die Mitglieder als deutlich jünger und gewaltbereiter auf. Ob sie auch Teile der Autonomen Nationalisten stellten, die am 1. Mai 2008 bei der bisher gewalttätigsten Demo von Rechtsradikalen in Hamburg für Chaos und Zerstörungen sorgten, ist nicht bekannt. Damals waren Rechts- und Linksradikale in Barmbek aufeinander losgegangen. Die Polizei hatte alle Mühe, die verfeindeten Blöcke auseinanderzuhalten.

Bestehende rechtsradikale Strukturen ignoriert die neu erstarkte Gruppe bislang beharrlich. Möglicherweise, so vermutet der Verfassungsschutz, um den eigenen Führungsanspruch im "Nationalen Widerstand" zu demonstrieren. Die meisten der alteingesessenen rechtsradikalen Gruppen haben unterdessen mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Das rechtsextreme Personenpotenzial in Hamburg beziffert der Verfassungsschutz auf insgesamt noch 480. Noch vor zehn Jahren zählte der Inlandsgeheimdienst 820 Rechtsextreme in Hamburg. Als gewaltorientiert galten im vergangenen Jahr etwa 180 Personen aus dem rechten Spektrum.

Nach wie vor und trotz eines offenbar geringer werdenden Unterstützeraufkommens ist der NPD-Landesverband die personell stärkste rechtsextremistische Vereinigung in Hamburg. Rund 140 Mitglieder hat die Partei, der der bundesweit bekannte Thomas "Steiner" Wulff angehört, noch. Zusammen mit Christian Worch trat er auf zahlreichen Parteiveranstaltungen auf. Die Freundschaft zwischen Wulff und Worch soll jedoch Risse erhalten haben. Zahlreiche NPD-Unterstützer sind auch in anderen neonazistischen Gruppen aktiv - oder stammen daher. So ist der ehemals einflussreiche Kreis "Neonazi- und Skinheadszene in Bramfeld" fast komplett in der NPD aufgegangen.

Auch der Kameradenkreis Neonazis in Hamburg, den der amtsbekannte Tobias Thiessen leitet, verliert offenbar an Bedeutung. Er verwaltet aber offenbar noch eine rechte Internetseite.

Vermutlich war die Gruppe auch für fremdenfeindliche Plakataktionen vor einer Asylbewerberunterkunft im Herbst 2011 mitverantwortlich. Bereits seit den 90er-Jahren beobachtet der Hamburger Verfassungsschutz einzelne Burschenschaften. Vor allem aus der "Pennalen Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg" (PB! Chattia) werden immer wieder Auftritte von Nazi-Rednern bekannt. Die Verbindung sieht sich als "Gemeinschaft patriotisch gesinnter Deutscher", die Begriffe wie Ehre, Kameradschaft, Volk und Heimat in Ehre halten wolle.