Eine Orientierung an der Grenze aus der Zeitarbeitsbranche ist vor dem Parteitag vom Tisch. Der Kompromiss kommt in letzter Sekunde.

Berlin. Die Kompromissformel kam praktisch in letzter Sekunde: Kurz vor dem Beginn des CDU-Parteitags haben sich die Parteispitzen auf eine gemeinsame Linie beim Mindestlohn geeinigt. Nachdem der Streit am Wochenende eskaliert war, ist die Partei gestern Abend auf die von Bundeskanzlerin Angela Merkel favorisierte Linie eingeschwenkt. Die vom Arbeitnehmerflügel gewünschte Orientierung am Zeitarbeits-Mindestlohn sei vom Tisch, erklärte Generalsekretär Hermann Gröhe. Zudem habe man sich darauf verständigt, dass eine Tarifkommission selbst über die Höhe und eine Differenzierung nach Branchen oder Regionen entscheiden solle. Orientieren soll sie sich dabei an den zehn bisher gefundenen Lohnuntergrenzen.

Ein großer Streit scheint damit abgewendet. Bevor die 1001 Delegierten heute in Leipzig über das Thema abstimmen sollen, hatten sich zuletzt die beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Umweltminister Norbert Röttgen in die Debatte eingeschaltet. Röttgen sagte dem "Spiegel", wenn sich der Parteitag für eine allgemeine Lohnuntergrenze ausspreche, "müssen wir auch eine Vorstellung von der Höhe haben. Sonst ist der Beschluss ohne Wert." Die zuständige Ministerin von der Leyen hatte in der "Frankfurter Rundschau" vor zu vielen unterschiedlichen Lohnuntergrenzen gewarnt: "Man muss aber schon aufpassen, dass man sich nicht in hundert Mindestlöhne zerfleddert."

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Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) trägt laut Gröhe den gefundenen Kompromiss mit. Nachdem Merkel sich gegen eine Orientierung am Zeitarbeits-Mindestlohn ausgesprochen hatte, hatte deren Vorsitzender Karl-Josef Laumann zunächst auf flächendeckende allgemeine Mindestlöhne ohne Branchendifferenzierung gepocht.

Die Einigung wurde nach Angaben aus Parteikreisen in einer kleiner Runde am Rande der Bundesvorstandssitzung erzielt. Daran nahmen neben Gröhe unter anderem von der Leyen, Röttgen und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Laumann sowie die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Julia Klöckner teil. "Ich freue mich über die große Einigkeit in meiner Partei für eine allgemeine, verbindliche Lohnuntergrenze für die weißen Flecken auf der Tarifkarte", sagte von der Leyen in einer ersten Reaktion. Differenzierungen seien möglich, betonte sie. "Ich hoffe, dass der Parteitag das mit großer Mehrheit beschließt."

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, nannte den Tagungsort Leipzig "das Synonym für die Wende-Merkel." Die CDU beschließe in diesen Tagen das Gegenteil vom letzten Parteitag in Leipzig im Jahr 2003. Vor acht Jahren vereinbarten die Christdemokraten hier bei ihrem Konvent radikale Einschnitte ins Sozialsystem. Jetzt rückt die Partei vom arbeitgeberfreundlichen Kurs ab. Mit prompten Reaktionen aus der Wirtschaft: Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte der "Bild"-Zeitung, er könne die Partei nur warnen, "durch weitere fragwürdige Kehrtwenden noch mehr wirtschaftspolitisches Profil zu verlieren".