Während des Festaktes in Berlin wurde eine Debatte über deutschlandkritische Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten mit Harmonie erstickt.

Berlin. Beim Festakt zum 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens in Berlin haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch Streitfragen ausgeklammert. Zuvor hatte harsche Kritik Erdogans in der "Bild“-Zeitung an der deutschen Integrationspolitik bei der Bundesregierung Verärgerung ausgelöst.

Merkel nannte auf dem Festakt im Auswärtigen Amt eine gelungene Integrationspolitik "mitentscheidend für die Zukunft unseres ganzes Landes“. Es sei "zwingend“, dass Zuwanderer die deutsche Sprache lernen. Integration sei allerdings „immer eine Gemeinschaftsleistung“ beider Seiten. "Das Zusammenleben ist immer ein Geben und Nehmen“, betonte Merkel. Ausdrücklich lobte die Kanzlerin die Entschlossenheit der Türken, die vor 50 Jahren die Chancen des Anwerbeabkommens nutzten: "Das war ein mutiger Schritt.“

"Erdogan bekennt sich zu wenig zu deutsch-türkischer Zukunft"

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) würdigte die "Erfolgsgeschichten“ der Zuwanderer vor 50 Jahren, die inzwischen in dritter Generation in Deutschland leben: "Die meisten haben ihren festen Platz in der deutschen Gesellschaft gefunden.“

Erdogan: "Wir gehören zusammen“

Erdogan bekannte sich auf dem Festakt ausdrücklich zur Integration der Türken in der Bundesrepublik. Zugleich lud er alle Deutschen ein, die türkische Staatsbürgerschaft zu erwerben. "Wir gehören zusammen“, sagte der Ministerpräsident auf Deutsch.

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In der "Bild“-Zeitung hatte Erdogan zuvor der Bundesregierung Fehler bei der Integration türkischstämmiger Zuwanderer vorgeworfen. "Die deutsche Politik würdigt die Verflechtung der drei Millionen Türken in Deutschland nicht genug“. Vehement kritisierte er die deutsche Gesetzgebung, wonach türkische Angehörige vor dem Zuzug in die Bundesrepublik die deutsche Sprache erlernen müssen. "Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte“, kritisierte Erdogan.

Böhmer weist Vorwürfe Erdogans zurück

Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer (CDU), wies die Vorwürfe Erdogans als „kontraproduktiv“ zurück. Der türkische Staat müsse lernen, die Migranten in unserem Land „loszulassen“. Hilfreich wäre eine klare Botschaft aus Ankara: „Wir unterstützen euch auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und erfolgreichen Leben in Deutschland.“

Von grundlegender Bedeutung für das Gelingen von Integration sei die Beherrschung der deutschen Sprache. "Die Behauptung Erdogans, der Sprachnachweis im Herkunftsland sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte, weise ich nachdrücklich zurück“, sagte Böhmer und fügte hinzu: "Das Gegenteil ist der Fall: Die Deutschkurse in der Türkei haben sich als außerordentlich hilfreich bewährt.“

Erdogan wirbt für EU Beitritt

Auf dem Festakt im Auswärtigen Amt warb Erdogan eindringlich für einen EU-Beitritt seines Landes. Er hoffe, dass Deutschland sein Land auf dem Weg nach Brüssel "am stärksten unterstützt“. Der türkischen Ministerpräsident warnte davor, „kleinkarierte Rechnungen“ aufzustellen: "Wir sollten eine große europäische Vision haben.“

In der "Bild“-Zeitung hatte Erdogan der Bundesregierung zuvor zu wenig Unterstützung beim geplanten Beitritt seines Landes zur Europäischen Union vorgeworfen: „Die deutsche Politik müsste viel mehr für den EU-Beitritt der Türkei tun, weil er die Integration massiv vorantreiben würde. Weil wir Türken so viel Positives für Deutschland empfinden, fühlen wir uns gerade hier im Stich gelassen.“

Nach dem Festakt wollten Merkel und Erdogan zu einem persönlichen Gespräch zusammenkommen.