Der neue digitale Pass ist beliebt, aber Experten sehen seine Zusatzfunktionen skeptisch

Hamburg/Berlin. Ein Jahr nach dem Start des neuen Personalausweises haben 8,5 Millionen Bürger den "ePerso" bekommen, bis Ende des Jahres sollen es zehn Millionen sein. Das sagte der IT-Direktor im Bundesinnenministerium, Martin Schallbruch. Mit dem neuen Ausweis können sich die Bürger auch im Internet identifizieren.

Nach einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes für Informationswirtschaft und Telekommunikation (Bitkom) sind fast drei Viertel der Besitzer mit ihrer neuen Karte zufrieden. 35 Prozent der Inhaber eines neuen Personalausweises gaben sogar an, sehr zufrieden zu sein. Nur knapp ein Viertel äußerte sich eher unzufrieden (21 Prozent) oder sehr unzufrieden (zwei Prozent). "Wer den neuen Personalausweis erst einmal besitzt, ist meist schnell von seinen Vorteilen überzeugt", sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf.

Trotzdem bleibt die Identitätskarte hinter den Erwartungen von Experten zurück. Er sehe das Konzept des digitalen Ausweises kritisch, sagt Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion und Obmann in der Enquetekommission Internet und Digitale Gesellschaft. "Bislang hat die Regierung es nicht geschafft, das Ding zum Fliegen zu bringen", kritisiert von Notz im Abendblatt. "Es besitzen ihn zwar zwischen acht und zehn Millionen Menschen, doch nur ein Drittel davon benutzt die digitalen Identifikationsfunktionen." Vor allem den Kommunen entstünden durch zusätzlich notwendig gewordenes Personal erhebliche Kosten, während der Nutzen relativ gering sei. So hätten sich von den zig Millionen Mitgliedern der Deutschen Rentenversicherung gerade einmal 300 bei der Versicherung mit dem "ePerso" registriert.

Selbst wer sich die digitalen Funktionen seiner Karte hat freischalten lassen, muss lange suchen, bis er im Internet eine Nutzungsmöglichkeit dafür entdeckt: Bisher bieten vor allem Versicherungen und Kommunen sowie einige Behörden und Anbieter von Erwachsenen-Unterhaltung die Identifizierung per Digitalausweis an. Nach Angaben der Bundesdruckerei haben rund 20 Unternehmen und Institutionen die Funktion in ihre Online-Angebote eingebunden, darunter das Kraftfahrt-Bundesamt, das die Strafpunkte von Autofahrern erfasst. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mahnte bereits, insbesondere die Wirtschaft müsse noch "deutlich aktiver" werden. Auch Bitkom-Chef Kempf räumte das eingeschränkte Angebot ein, sieht aber einen Teil der Verantwortung beim Staat: Die Beamten in den Amtsstuben wüssten zu wenig darüber, was man mit der ID-Funktion alles machen kann. Entsprechend schlecht könnten sie dies dann den Bürgern vermitteln. Kempf hätte sich nach eigenen Angaben gewünscht, dass die Identifizierungs-Funktion bei allen digitalen Ausweisen eingeschaltet worden wäre. Die Grünen lehnen laut von Notz den neuen Ausweis zwar nicht per se ab, befürchten allerdings einen schleichenden Verlust der Anonymität im Internet: "Bei vielen Geschäften des täglichen Lebens im Internet macht es aus Datenschützersicht durchaus Sinn, wenn die Anonymität gewahrt bleibt. Wir würden es ja auch ablehnen, beim Betreten einer Kneipe unseren Personalausweis abzugeben."