In der SPD herrscht Streit um Kanzlerkandidaten-Debatte. SPD-Fraktionschef Steinmeier bringt eine Mitgliederbefragung ins Gespräch.

Berlin. In der SPD wächst der Unmut über die Auftritte des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück mit Altkanzler Helmut Schmidt. "In den Parteigremien erlebe ich Skepsis gegenüber dem Vorgehen von Peer Steinbrück", sagte der Berliner SPD-Landeschef Michael Müller. "Natürlich zählt er zu den möglichen Kanzlerkandidaten , aber sein Agieren wird als überinszeniert empfunden."

Die Parteispitze lehnt eine baldige Entscheidung über eine Kanzlerkandidatur als verfrüht ab. Auch Schmidts Empfehlung für Steinbrück ("Er kann es") wird kritisiert. Müller warnte davor, die SPD-Basis bei der Entscheidung zu übergehen: "Wenn der Eindruck entsteht, dass an allen Gremien vorbei Fakten geschaffen werden sollen, dann kann das sehr schnell zum Bumerang werden."

Auch gestern nutzten Helmut Schmidt und Peer Steinbrück in Hamburg die Öffentlichkeit zum rhetorischen Doppelpass. Vor rund 1000 Besuchern im voll besetzten Thalia-Theater präsentierten die beiden Sozialdemokraten ihr Buch "Zug um Zug". Vorwürfe, er mische sich zu sehr in die SPD-Führungsdebatte ein, wies Schmidt energisch zurück: "Ich betrachte mich als Privatperson." Und als solche habe er nur seine Meinung gesagt. Die von der "Zeit" und dem Hoffmann und Campe Verlag organisierte Veranstaltung wurde vom NDR live im Fernsehen und Radio übertragen. Auf Nachfrage des Moderators Ulrich Wickert äußerten sich Schmidt und Steinbrück auch grundsätzlich zum Umfang eines künftigen Bundeskabinetts. Während Schmidt für zehn Minister plädierte, sprach sich Steinbrück für "15 oder 16 Ministerien" aus.

+++ Schmidt, Steinbrück und der Zorn über die Foto-Frage +++

+++ Bühne frei für Schmidt und Steinbrück +++

In den Chefetagen der SPD reagieren viele kritisch auf das Vorpreschen Steinbrücks. "Der Kanzlerkandidat der SPD wird nicht in einer Talkshow bestimmt, sondern durch die Partei", sagte der niedersächsische Parteivorsitzende Olaf Lies. Ähnlich sieht es Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner: "Die Diskussion war eine Weile interessant, aber jetzt muss es auch gut sein", sagte er dem Abendblatt - auch mit Hinblick auf die nächste Landtagswahl in seinem Bundesland. "Wir wollen keine Kanzlerkandidaten-Debatte." Diese habe, wie geplant, Zeit bis Ende kommenden Jahres.

Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht die Frage des SPD-Kanzlerkandidaten weiter als offen an. Wenn es nicht vorher notwendig werde, werde die SPD diese Frage im kommenden Jahr entscheiden, sagte er. Parteichef Sigmar Gabriel habe das Vorschlagsrecht in dieser Frage, "und wer das Vorschlagsrecht hat, hat damit auch den ersten Zugriff". Steinmeier ergänzte, er habe nichts gegen Mitgliederentscheidungen, wenn über mehrere Kandidaten zu befinden sei. Gabriel selbst hatte gesagt, die Steinbrück-Debatte ändere nichts am Zeitplan. Er werde Ende 2012, Anfang 2013 einen Vorschlag in der Kandidatenfrage machen - sofern es nicht vorgezogene Neuwahlen gibt.

Steinbrück selbst betonte, er werde sich zu einer Kandidatur erst äußern, falls ihm Gabriel eine entsprechende Frage stellen sollte. Die Hälfte der Bundesbürger findet es richtig, dass sich Schmidt für Steinbrück als Kanzlerkandidaten einsetzt, ergab eine Emnid-Umfrage für den "Focus".