In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode sollte alles besser werden - doch nicht nur beim Thema Steuern kommen Union und FDP nicht zusammen.

Berlin. Er ist immer noch beleidigt - und er lässt es seine Verbündeten spüren. Im Streit um geplante Steuersenkungen hat CSU-Chef Horst Seehofer noch mal nachgelegt: Bei der Vorstellung von Steuererleichterungen in der vergangenen Woche sei die CSU bewusst übergangen worden, erklärte der bayerische Ministerpräsident gestern in der "Süddeutschen Zeitung". "Das war keine Panne." Und weiter: "Die Bayern werden das schon schlucken - das war das Kalkül. Und das war grob falsch", sagte Seehofer.

+++Gabriel spricht Schwarz-Gelb Regierungsfähigkeit ab+++

+++Euro-Abstimmung im Bundestag, Teil zwei+++

Dabei sollte doch alles besser werden in der zweiten Halbzeit der schwarz-gelben Regierung. Weniger Streit, weniger Indiskretionen, mehr inhaltliches Vorankommen. Doch die Stimmung im Regierungslager bleibt schlecht. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatten verkündet, die Bürger mit der Abschwächung der kalten Progression um sieben Milliarden Euro zu entlasten - offenbar ohne Rücksprache mit Seehofer. Der fühlte sich düpiert und legte ein Veto ein. Nach einem Koalitionstreffen am Freitag hatte es dann aus der CSU geheißen, die Pläne von Schäuble und Rösler seien vom Tisch. Doch am Wochenende stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar: "Kein Modell ist vom Tisch."

Für Teile der FDP liegt die Schuld des Desasters nun im Kanzleramt, das schlicht "schlechtes Management" gezeigt habe, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil gestern am Rande der FDP-Vorstandsklausur in Berlin. Es sei kurios, dass CSU, CDU und FDP sich in der Sache - steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer - einig seien, es aber wegen "persönlicher Befindlichkeiten" jetzt so große Probleme gebe. Dabei sind die Steuern nicht das einzige Thema, das wegen persönlicher Befindlichkeiten stockt. Auf zahlreichen Baustellen herrscht Stillstand oder offener Streit zumindest zwischen zwei der drei Parteien. Den Durchbruch soll jetzt der nächste Gipfel am 6. November bringen - in vielen Fragen ist jedoch kein Kompromiss in Sicht.

+++Schwarz-Gelb einigt sich auf Steuersenkung+++

Baustelle Steuern

Mit kaum einem Thema startete die Koalition derartig ambitioniert wie beim Punkt Steuersenkungen und -vereinfachungen. Untere und mittlere Einkommensschichten wollte man im Laufe der Legislaturperiode um insgesamt 24 Milliarden Euro entlasten. Doch während die Liberalen zunächst vehement auf Senkungen bestanden, sperrte sich vor allem Schäuble gegen weitreichende Forderungen. Man einigte sich zunächst auf eine Mini-Entlastung in Form höherer Pauschbeträge bei Arbeitnehmern - Gesamtvolumen einige Hundert Millionen Euro. Wie die jüngste Empörung Seehofers zeigt, ist man sich auch beim Abbau der kalten Progression nicht einig.

Baustelle Pflege

Die Pflegereform liegt bereits seit Monaten auf Eis. Der Hauptgrund: CSU und FDP können sich nicht darüber einigen, wie der nötige Aufbau eines Finanzpolsters bewerkstelligt werden könnte. Die FDP verlangt dafür eine private Pflege-Zusatzversicherung - die Christsozialen lehnen das ab. Im Koalitionsvertrag von Union und FDP heißt es, man wolle "eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss". Die CSU will davon heute nichts mehr wissen. Nachdem Seehofer im September mit einem eigenen Entwurf für die Pflegereform vorgeprescht war, hatte der dadurch düpierte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die bereits geplante Vorstellung seiner Eckpunkte abgesagt. Nach wie vor soll die Reform jedoch im ersten Halbjahr 2012 in Kraft treten. Wie ein Kompromiss aussehen soll, ist jedoch weiterhin offen.

Baustelle Innere Sicherheit

Fast seit Anbeginn der Regierungszeit wird zwischen Union und FDP um Deutschlands Sicherheitsarchitektur gerungen. Dabei lässt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ihren Gegenspieler, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), immer wieder mit seinen Forderungen nach mehr Kompetenzen für Sicherheitsbehörden auflaufen. Im Sommer sah es kurzzeitig so aus, als würden sich beide annähern: Das Kabinett einigte sich auf eine Verlängerung des umstrittenen Anti-Terror-Pakets. Doch die Vorratsdatenspeicherung blockt Leutheusser-Schnarrenberger nach wie vor ab. Eine Einigung in dieser Legislaturperiode gilt in der Koalition inzwischen als unwahrscheinlich. Auch beim Einsatz staatlicher Späh-Software, des sogenannten Staatstrojaners, sind die Minister uneins.

Baustelle Familie

Schon bei den Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren war absehbar, wie sehr das Betreuungsgeld zum Zankapfel werden würde. Die FDP wollte es von Anfang an nicht, die CDU war auch nur mäßig begeistert, doch die CSU pochte auf die sogenannte "Herdprämie", mit der Eltern ab 2013 etwa 150 Euro pro Monat erhalten sollen, wenn sie ihr Kleinkind zu Hause erziehen, statt es in den Kinderkarten zu bringen. Horst Seehofer und die Seinen halten bis heute daran fest - auch wenn die Finanzierung in Zeiten knapper Kassen nicht gesichert ist und bereits andere Projekte wie die Ausweitung der Vätermonate beim Elterngeld auf Eis liegen. Einen Kompromissvorschlag von Familienministerin Kristina Schröder (CDU), der weniger Geld und einen kürzeren Bezugszeitraum vorsah, lehnten jedoch die Liberalen und die CSU ab. Und jetzt? Es ist nicht jeder optimistisch, dass es am 6. November auf einmal eine Einigung geben soll.

Baustelle Fachkräftemangel

Nach zwei Jahren Streit hat sich der Bundestag in diesem Herbst auf ein Gesetz verständigt, das die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Deutschland erleichtert. Mit dem "Dr. Taxifahrer" soll künftig Schluss sein. Noch ungeklärt ist allerdings, ob und wie man hoch qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland in die Bundesrepublik locken will. Eine Stellschraube wäre, das Mindesteinkommen zu reduzieren. Derzeit beträgt es 66 000 Euro, könnte künftig jedoch auf 55 000 Euro gesenkt werden. Der FDP reicht das allerdings nicht: Sie verlangt eine Obergrenze von 40 000 Euro

Baustelle Pkw-Maut

Mit an Penetranz grenzender Hartnäckigkeit hatte sich CSU-Chef Seehofer monatelang für die Einführung einer Pkw-Maut ausgesprochen - ungeachtet der Tatsache, dass die Bundeskanzlerin sich zuvor deutlich gegen eine solche Straßengebühr ausgesprochen hatte. "Schau'n wir mal", hatte der Bayer nur darauf geantwortet. Die FDP sprang jedoch Merkel bei. Lieber solle man die Mineralölsteuer erhöhen, und dafür auf Kfz-Steuer und Maut verzichten. Doch in dem zum Teil heftig geführten Streit kann nun die CSU einen Teilerfolg verzeichnen. Die Fraktionsspitzen einigten sich inzwischen darauf, dass Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Maut zumindest einmal durchrechnen soll.