Noch schwieriger kann es nicht werden, sagte die Kanzlerin. Den FDP-Chef Rösler erwähnt sie mit keinem Wort. Rösler: Jetzt erst recht.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht trotz des Wahldesasters der FDP in Berlin und des Euro-Streits keine Belastung für die Arbeit der schwarz-gelben Koalition. „Ich glaube, dass wir unsere Regierungsarbeit fortsetzen werden, und ich glaube nicht, dass etwas schwieriger wird“, sagte die Parteivorsitzende nach CDU-Gremiensitzungen in Berlin. Mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen über den Euro-Rettungsschirm sagte Merkel: „Ich will eine eigene Mehrheit haben. Das ist mein Ziel.“

„Die Koalition arbeitet und (...) wir haben ja auch einen Menge Aufgaben vor uns“, sagte Merkel auf die Frage, ob die Koalition am Ende sei. Neben dem Euro nannte sie dabei unter anderem die Haushaltsfragen und Bildungsthemen. „Ich glaube, dass alle Koalitionspartner um ihre Aufgaben wissen und mit großer Ernsthaftigkeit ihre Aufgaben erfüllen werden.“ Sie stehe zu dem Satz: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ CSU-Chef Horst Seehofer hatte einen solchen Zusammenhang in einem Interview bestritten. Merkel räumte ein, dass es hier einen Dissens mit der Schwesterpartei gebe. Darüber müssten Gespräche geführt werden.

Merkel wiederholte mit Blick auf FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler, jeder müsse bei der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise bei seien Äußerungen die Worte vorsichtig wägen. Das gelte für die eigene Partei, den Koalitionspartner und die Opposition. „Ich denke, dass jeder um seine Verantwortung weiß“, sagte die Kanzlerin mit Blick auf den FDP-Vorsitzenden, aber ohne ihn beim Namen zu nennen. Rösler hatte in der vergangenen Woche eine geordnete Insolvenz Griechenland ins Gespräch gebracht. Trotz mehrerer Mahnungen Merkels zur Zurückhaltung in den öffentlichen Äußerungen war er bei seinem euro-skeptischen Ton geblieben.

+++ SO HABEN DIE BERLINER IN IHREN WAHLLOKALEN GEWÄHLT +++

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Die Kanzlerin sagte nun, bei zurückliegenden Euro-Entscheidungen habe die schwarz-gelbe Regierung eine Mehrheit erreicht. Aus diesem Grund sei sie zuversichtlich, dass es auch bei den am 29. September sowie bei den später im Jahr anstehenden Entscheidungen über den Euro-Rettungsschirm und den Euro-Stabilitätsmechanismus ESM wieder eine solche Mehrheit erreichen werde. Eine gesonderte Regierungs-Klausur hielt Merkel angesichts des Streits mit der FDP und auch mit der CSU über den Euro-Kurs nicht für notwendig.

Als Konsequenz aus dem Erfolg der Piratenpartei bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin will die CDU ihre Internet-Kompetenz verstärken. „Das Thema Internet ist eine zusätzliche Komponente, die bei den Wahlkämpfen eine Rolle spielen wird“, sagte Merkel. Sie fühle sich bestätigt, auf diesem Gebiet weiterzuarbeiten. Die Partei habe eine Netzplattform eingerichtet und sei mit den jungen Mitgliedern in Kontakt. Merkel nannte den Erfolg der Piratenpartei einen „Ausdruck eines eher protestierenden Potenzials“, der von allen Parteien ernst genommen werden müsse.

Der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel sagte, die Eurodebatte bei in Berlin kein wahlentscheidendes Thema gewesen. Ohne die FDP beim Namen zu nennen ergänzte er: „Außer für die, die es missbraucht haben.“ Henkel machte sich indirekt für eine große Koalition mit der SPD stark. Er habe große Zweifel, dass sich eine Stadt wie Berlin mit nur einer Stimme über der absoluten Mehrheit regieren lasse.

FDP-Chef Philipp Rösler hat nach dem Berliner Wahldebakel klar gemacht, dass die Liberalen zu ihrer Regierungsverantwortung im Bund stehen. Die FDP werde diese Verantwortung für die volle Legislaturperiode wahrnehmen, betonte Rösler. Zuvor hatten sich die Gremien der FDP mit der Niederlage bei der Abgeordnetenhauswahl befasst. Zugleich bekräftigte er seine Position in der Eurokrise. Es gehe grundsätzlich darum, den Euro stabil zu halten. Seine Haltung in der Frage sei „pro europäisch mit der notwendigen wirtschaftspolitischen Vernunft“, sagte der FDP-Vorsitzende.

Die FDP müsse nach dem Wahlausgang in Berlin jetzt erst recht für liberale Themen einstehen, sagte Rösler. Es gebe ein „erhebliches Potenzial“ für eine liberale Partei. Rösler nannte unter anderem selbstständige Unternehmer und junge Unternehmensgründer als Beispiel für „neue Bürgerliche“. Bei der Abgeordnetenhauswahl hatte die FDP 1,8 Prozent der Stimmen bekommen. Sie flog damit schon zum fünften Mal in diesem Jahr aus einem Landesparlament.

Als der abgesetzte FDP-Chef Guido Westerwelle am Montagmorgen mit einer neuen, modischen Hornbrille in die Sitzung der FDP-Führung marschierte, bekam er von den liberalen Spitzenleuten Sprüche zu hören wie „Guck mal, der Guido hat 'ne neue Brille“. So schallte es ihm von Parteichef Philipp Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und Fraktionsboss Rainer Brüderle entgegen. Westerwelle machte gute Miene und flog später zur Uno-Vollversammlung nach New York. Er bleibe Außenminister, versicherten führende Liberale.

Vor den Kameras bemühte sich das FDP-Spitzenpersonal demonstrativ um Geschlossenheit. Kein böses Wort fiel gegen die Parteispitze. Hinter den Kulissen herrsche aber ziemliche Fassungslosigkeit, berichteten Teilnehmer der Gremiensitzungen. Nur 1,8 Prozent in der Hauptstadt, hinter der NPD, nur knapp vor der Tierschutzpartei und ein Abklatsch der erfolgreichen Piratenpartei. Das tut den Liberalen besonders weh. „Wir sind doch bei Bürgerrechten und Internet das Original“, jammerte ein FDP-Mann.

Der mächtige NRW-Landeschef Daniel Bahr machte auf Zweckoptimismus. Schwarz-Gelb habe noch zwei Jahre vor sich. „Es ist gerade mal Halbzeit. Man kann, das wissen wir aus dem Fußball, auch in der zweiten Halbzeit noch ein Spiel drehen“, sagte Bahr. (dpa/dapd/abendblatt.de)