Aus Ärger über die Steuerpläne ließ CSU-Chef Horst Seehofer am vergangenen Donnerstag ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel platzen.

Berlin. Es ist ein Rückfall in die Frühzeiten der christlich-liberalen Koalition, als es üblich war, ohne Absprache öffentlich Vorschläge zu machen, die daraufhin sofort wieder von den Partnern kassiert wurden. Meist war es die FDP, die sich als Outsider fühlen musste. Und nicht selten waren es die CSU und ihr Chef Horst Seehofer, die sie in diese Rolle gebracht hatten.

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Umso perplexer geben sich die Christsozialen angesichts dessen, was am Donnerstag passierte: Nach der Vorstellung des Konzepts für eine Steuersenkung durch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) waren es die Bayern, die plötzlich raus waren. Weil er angeblich nichts davon wusste und mit ihm nicht gesprochen worden sei, schäumte CSU-Chef Horst Seehofer wie lange nicht. Den Verwünschungen ließ er auch Taten folgen. Am Nachmittag sagte er ein für den Abend geplantes Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel, Fraktionschef Volker Kauder und Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, ab. Zwar war er von München nach Berlin gereist, blicken ließ er sich dann aber nicht. Eigentlich wollte er mit den anderen den Koalitionsausschuss vorbereiten, der Freitagabend tagen sollte. An ihm immerhin wollte Seehofer teilnehmen. Allerdings nicht, ohne einige Takte zu sagen, wie es aus der CSU hieß.

Seehofer kreidet Merkel das Verhalten ihrer Minister persönlich an. Sie war natürlich informiert. Seehofers Entrüstung war dennoch nicht spontan und ist nicht die des unbeteiligten Dritten. Es handelte sich um eine kalkulierte Empörung. "Seehofer wusste seit etwa einer Woche Bescheid, dass das passiert", sagte ein hochrangiges Mitglied der Union im Bundestag. Sowohl Merkel als auch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hätten mit ihm gesprochen. Bestätigt wird in der CSU das Gespräch mit Pofalla am Abend zuvor. Der CSU-Chef habe ihm klargemacht, dass er eine Präsentation von Steuerplänen vor dem Koalitionsausschuss nicht gut fände.

Wenngleich sie nur wenige einweihten, hatten Schäuble und Rösler doch schon den ganzen Monat verhandelt. Meist trafen sich ihre Staatssekretäre Stefan Kapferer (Wirtschaft) und Bernhard Beus (Finanzen). Allerdings gab es auch Gespräche unter den Ministern. Seit Langem war geplant: Wenn die Wirtschaftsprognose vorliegt, würde man ein Steuerkonzept präsentieren. Am Donnerstag war es so weit, und es war Schäuble, der Rösler die Bühne nicht allein überlassen wollte. Aus Röslers Sicht musste es so aussehen, als habe er Schäuble endlich zu einer Steuersenkung überreden können: Die FDP hatte endlich mal geliefert.

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Schäuble hat ein für ihn komfortables Projekt verkündet - eines, aus dem voraussichtlich nichts wird, weil es im Bundesrat scheitern dürfte. "Der Steuervorstoß von CDU und FDP wird von uns, der CSU und von etlichen Ministerpräsidenten der CDU abgelehnt", versicherte SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs gegenüber der "Welt". SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Steuersenkungspläne "skandalös". Es gehe um einen "Kuhhandel mit der FDP". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der "Welt": "Steuersenkungen sind das völlig falsche Signal. Sie bedeuten für uns deutliche Mindereinnahmen und unterlaufen unsere Konsolidierungsmaßnahmen." Ähnliche Kommentare kamen auch aus den Staatskanzleien in Kiel, Dresden, Wiesbaden und Saarbrücken.

Möglicherweise hat Schäuble deshalb dem Plan zur Steuersenkung durch Abbau der kalten Progression zugestimmt, weil sich immer mehr Anhänger einer Alternative fanden: nämlich der Abschmelzung des Solidaritätszuschlags. Damit hatte die FDP geliebäugelt. Auch Seehofer habe im Koalitionsausschuss dafür werben wollen, heißt es aus der CSU. Änderungen beim Soli müssen nicht vom Bundesrat abgesegnet werden. Für Schäuble, der keine Steuersenkung will, wäre das gefährlich geworden. Sein Erfolg: Vor der Presse stimmte Rösler mit Schäuble überein, dass man den Plan nicht weiterverfolge.

Weil Seehofer nicht einbezogen wurde und sich deshalb maximal entrüsten wollte, ist für die CSU nun eine groteske Situation entstanden: Sie muss sich von ihrem eigenen Projekt distanzieren. Zum Abbau der kalten Progression hatte Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon im Januar einen Vorschlag gemacht - auf Weisung Seehofers. Inzwischen hätten sich die politischen Rahmenbedingungen geändert.

Ein hochrangiger CSU-Politiker sagte dieser Zeitung: "Seehofer hätte sich auch hinstellen und sich dafür bedanken können, dass die unser Konzept abschreiben." Gern spielt die CSU den Vorreiter, ob es um die Euro-Rettung geht, wo man natürlich erwartet, dass die CDU sich beim Parteitag im November an den Beschlüssen der Schwester orientiert; oder um die Atompolitik, wo man sich feierte, das gesetzlich fixierte Jahr 2022 als Erster genannt zu haben.

Seehofer gibt den Beleidigten. Viele haben dafür Verständnis, jene nämlich, die sich wie er eine bessere Außendarstellung der schwarz-gelben Koalition wünschen. Seehofers Reaktion ist aber auch der Versuch, den Preis für das Ja seiner CSU in die Höhe zu treiben. Dabei geht es nicht nur um jene Projekte, die im Koalitionsausschuss thematisiert werden sollten, um Pkw-Maut und Infrastrukturmaßnahmen, um Betreuungsgeld, Bundeswehrreform und Pflege. Seehofer hätte das alles gern mit dem Thema Steuersenkung verhandelt und rückgekoppelt. Rösler und Schäuble haben ihm Verhandlungsmasse aus den Händen geschlagen.