Kurz nachdem Finanz- und Wirtschaftsminister Entlastungen verkündeten, torpediert CSU-Chef Horst Seehofer die Regierungspläne.

Berlin. Es hätte alles so schön sein können: Nachdem die Liberalen zwei Jahre lang mit ihren Forderungen nach einer Steuerentlastung bei Wolfgang Schäuble auf Granit gebissen hatten, waren sich der CDU-Finanzminister und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gestern einig. Ab 2013, so habe man es am Vormittag beschlossen, sollen die Steuern sinken, wie beide verkündeten. Durch den Abbau der kalten Progression werde es eine Entlastung von sechs bis sieben Milliarden für die Bürger geben. Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer soll dafür angehoben und entsprechend dem Steuertarif nach rechts verschoben werden. Die Details stehen aber noch nicht fest und sollen im Gesetzgebungsverfahren festgezurrt werden. Auch was die kleine Entlastung für den einzelnen Bürger bedeuten soll, ist noch unklar. Den Erfolg wollten die beiden Minister dann aber trotzdem schon mal verkünden. Das Steuerkonzept sei ein Signal, "dass die Bundesregierung zu dem steht, was sie sagt", betonte Schäuble - und bezeichnete Rösler als "kompetenten und liebenswürdigen Kollegen" und lobte mehrfach das "gemeinsame Projekt". Nachdem das Verhältnis beider Minister noch vor der Sommerpause durch Indiskretionen als extrem belastet galt, ging es jetzt darum, demonstrative Geschlossenheit zu zeigen.

Wenn heute die schwarz-gelbe Koalition im Kanzleramt zum Krisengipfel zusammenkommt, wären so theoretisch gleich zwei Konflikte vom Tisch gewesen. Denn mit Euro-Krise, Pkw-Maut und Betreuungsgeld stehen einige weitere mehr als heikle und streitträchtige Punkte auf der Tagesordnung. Aber nun wird doch weiterhin über die Steuerfrage diskutiert werden - denn Rösler und Schäuble haben die Rechnung offenbar ohne Horst Seehofer gemacht.

+++ Koalition zerstritten über die Steuerentlastung ab 2013 +++

+++ Gabriel: "Steuersenkungen sind unverantwortlich" +++

+++ Einigung bei Steuersenkung? Seehofer weiß von nichts +++

Denn kaum hatten Vizekanzler und Finanzminister den Steuerstreit für beendet erklärt, verkündete Seehofer am Rande einer Landtagssitzung in München, es sei noch überhaupt nichts entschieden. "So geht es nicht, dass man Fakten in der Öffentlichkeit schafft, die wir dann abnicken sollen. Punkt", schimpfte der bayerische Ministerpräsident. "Mit uns gibt es da keine Einigung." Was also eigentlich als schwarz-gelbes Einigungssignal hätte gelten können, ging nach hinten los. Die Ausgangslage für das heutige Treffen hätte ungemütlicher kaum sein können. Und auch für Rösler wäre es vor der Klausur der Liberalen am Sonntag gut gewesen, mit diesem Erfolg in das zweitägige Treffen seiner Partei zu gehen.

Immerhin: Der Wirtschaft geht es gut. Für dieses Jahr wird noch ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent erwartet. Für das kommende Jahr senkte die Regierung ihre Prognose jedoch von 1,8 auf 1,0 Prozent - die vereinbarte Steuerentlastung soll die Konjunktur wieder ankurbeln. Auch wenn sich das Expansionstempo wie erwartet verlangsame, bleibe Deutschland weiter "Stabilitätsanker und Wachstumsmotor für Europa", betonte Rösler. Getragen wird die Entwicklung aber mehr und mehr von der Binnennachfrage. Der Exportboom schwächt sich ab. "Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum", so der Minister. Von einer Rezession könne daher ausdrücklich keine Rede sein. Grund für den "etwas ruhigeren Wachstumspfad" sei die weltweite Verunsicherung durch die Schuldenkrise im Euro-Raum.

Die Opposition kritisierte die Steuerentlastungen angesichts der Krise scharf. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, die schwarz-gelbe Koalition begebe sich auf den Pfad der Schuldenpolitik, der schon Griechenland in die Krise geführt habe. Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte die Ankündigungen von Schäuble und Rösler zur "Beruhigungspille für die eigenen Reihen". Die Minister pumpten "bunt schillernde Steuersenkungs-Luftballons in Milliardenhöhe auf". Aus denen lasse aber der CSU-Vorsitzende Seehofer "flugs die Luft wieder heraus."