Trotz der Einigung der Minister Schäuble und Rösler geht der Streit weiter. Die Opposition spottet über die Steuer-Pläne der Regierung.

Berlin. Nach jahrelangem Streit hat die Bundesregierung ein Konzept zur Steuerentlastung der Bürger um sechs bis sieben Milliarden Euro ab 2013 vorgelegt. Mit dem Geld will sie die sogenannte kalte Progression bekämpfen, die den Steuerzahlern nach Lohnerhöhungen immer mehr Geld aus den Taschen zieht. Durch die Entlastung erhofft sich die Regierung auch einen zusätzlichen Schub für die Konjunktur, die zunehmend unter der Schwäche der Weltwirtschaft leidet. Ob die Steuersenkungspläne Realität werden, steht allerdings in den Sternen: Denn auch der Bundesrat muss ihnen zustimmen.

Der Streit über Steuersenkungen hatte die schwarz-gelbe Koalition von Anfang an belastet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte sich mit Blick auf die Staatsverschuldung gegen hohe Entlastungsbeträge gewehrt und die FDP damit erzürnt. Der nun mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler gefundene Kompromiss soll den Spagat schaffen zwischen Konsolidieren und Entlasten.

Das von Schäuble und Rösler gemeinsam vorgestellte Konzept sieht eine Erhöhung des steuerfreien Grundfreibetrags vor. Zudem werden die Einkommenseckwerte erhöht, ab denen höhere Steuersätze fällig werden. Die Details stehen noch nicht fest und sollen im Gesetzgebungsverfahren festgezurrt werden.

Im Ergebnis wollen Schäuble und Rösler erreichen, dass den Bürgern die zwischen 2010 und 2012 wegen der kalten Progression aufgelaufenen staatlichen Mehreinnahmen zurückgegeben werden. Der Effekt tritt auf, wenn Arbeitnehmer nach Lohnerhöhungen in eine höhere Steuerbelastung rutschen, wegen der Inflation aber real nicht mehr in der Tasche haben. Um dauerhafte Abhilfe zu schaffen, soll alle zwei Jahre das Ausmaß dieser heimlichen Steuererhöhungen überprüft werden. Ein Korrektur-Automatismus ist aber nicht vorgesehen, dies bleibt der Politik überlassen.

Schäuble sagte, mit der Steuerentlastung sollte zum einen die Konjunktur unterstützt werden, zum zweiten gehe es um ein Signal, dass die Regierung der Geldwertstabilität verpflichtet sei. Zugleich räumte Schäuble ein, dass es dadurch nicht zu einer dramatischen Steuerentlastung kommen werde. Rösler sagte, entscheidend sei der Einstieg in den Ausstieg aus der kalten Progression. Der Staat dürfe sich nicht heimlich bereichern. Wie hoch die Entlastung für jeden einzelnen Bürger ausfällt, hängt von den Details ab; die Beträge dürften eher gering sein.

Trotz des Verzichts auf zusätzliche Steuereinnahmen könne die Schuldenbremse eingehalten werden, versicherte Schäuble. Rösler verwies auf den positiven Konjunktureffekt. Nach einem Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent erwartet die Regierung für 2012 nur noch einen Zuwachs um ein Prozent, das außerdem fast vollständig von den Binnennachfrage getragen werden dürfte.

Ob es die Steuersenkungen ins Gesetzblatt schaffen, bleibt abzuwarten, denn im Bundesrat haben Union und FDP keine Länder-Mehrheit hinter sich. Die SPD wirbt derzeit für eine Erhöhung von Steuern, etwa auf Spitzenverdienste, Erbschaften oder Börsengewinne. Rösler sagte, wer gegen das Entlastungskonzept sei, werde das Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen erklären müssen. In der FDP wird gefordert, dass bei einem Scheitern der Pläne der Soli-Zuschlag abgeschafft, gekürzt oder gestaffelt wird – dazu braucht der Bund die Bundesländer nicht.

Auch in der Koalition scheinen noch nicht alle Hürden überwunden. „Über die Steuerentlastungen ist noch nicht entschieden“, erklärte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Damit beschäftigen sich die Koalitionsspitzen erst am Freitag. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Steuersenkungen auf Pump unverantwortlich: „Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will sich offenbar die Zustimmung der FDP für seine gigantischen Euro-Rettungspakete kaufen.“ Die Bürger würden diesen Kuhhandel zwischen Union und FDP durch höhere Kita-Beiträge, weniger Lehrer und Polizisten in Ländern und Gemeinden bezahlen müssen.

Die Haushaltsexpertin der Grünen, Priska Hinz, sagte, Schäuble habe sich der FDP geschlagen gegeben: „Trotz einer geplanten Neuverschuldung von über 85 Milliarden Euro bis 2015 sollen zur Druckbeatmung der FDP Steuersenkungen durchgedrückt werden.“ Von den Steuerausfällen tragen je 42,5 Prozent der Bund und die Gesamtheit der Länder, 15 Prozent die Kommunen.

Bei Wirtschaftswissenschaftlern stießen die Pläne Röslers und Schäubles auf ein geteiltes Echo. Das gewerkschaftsnahe Institut IMK erklärte, kurz vor einem Abschwung müsse man die Staatsfinanzen zusammenhalten für härtere Zeiten. Das Essener RWI-Institut erklärte dagegen, der Schritt sei richtig und könne der Konjunktur einen kleinen positiven Impuls geben. (rtr)