Wowereit warnt vor überzogenen Überwachungsmaßnahmen. Die Lage in Hamburg ist entspannter, doch Innensenator Neumann gibt noch keine Entwarnung

Berlin/Hamburg. Die Berliner Polizei hatte einige Tage gezögert, bevor sie das Angebot von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) annahm. In der Nacht zu Dienstag half nun erstmals auch die Bundespolizei mit rund 100 zivilen Aufklärungskräften und Hubschraubern den Berliner Ermittlern, die Serie von Brandanschlägen auf Autos einzudämmen. Verhindern konnten sie weitere Brandstiftungen allerdings nicht. In den frühen Morgenstunden standen elf Fahrzeuge in Berlin in Flammen. Der Staatsschutz ermittelt, weil politische Hintergründe nicht mehr ausgeschlossen werden. Es war die achte Nacht in Folge, in der die Brandstifter die Hauptstadt in Atem hielten.

Ursprünglich hatte sich der Berliner Senat gegen mögliche Hilfen von außen gewehrt und die Ablehnung damit begründet, die Bundespolizisten würden sich in Berlin nicht gut genug auskennen. Nachdem die Brandserie aber nicht abreißen wollte, stieg in den vergangenen Tagen der politische Handlungsdruck - vor allem auf den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Denn längst spielen die Taten auch im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl am 18. September haben sich Grüne, CDU und FDP den rot-roten Senat vorgeknöpft. Während Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast SPD und Linken vorwirft, den Polizei-Vollzugsdienst jahrelang geschwächt zu haben, reagieren CDU und FDP mit Plakataktionen. "Erst Autos und dann ...?", fragen die Berliner Liberalen auf einem ihrer Plakate. Selbst die CSU hat sich bereits eingemischt und eine verstärkte Videoüberwachung vorgeschlagen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) würde am liebsten in den Nächten Zeppeline und Drohnen mit Wärmebildkameras zum Einsatz bringen.

Der Berliner Regierungschef Wowereit nimmt die Vorschläge zur Kenntnis - umsetzen will er sie aber nicht. Vielmehr warnt der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende vor einem überzogenen Vorgehen gegen die Autobrandstifter. Die brennenden Fahrzeuge seien ein ernstes Problem, dem man aber nicht mit einfachen Lösungen begegnen könne, betonte Wowereit im Gespräch mit dem Abendblatt. Er verdeutlichte: "Wir können nicht die ganze Stadt überwachen. Mehr Polizei auf den Straßen hilft nicht automatisch weiter. Wir können auch nicht überall Videokameras anbringen." Es komme auf die Qualität der Aufklärung an, so der Regierende Bürgermeister. "Wer jetzt schnelle Lösungen verspricht, will nur billig Wahlkampf machen."

Auch in Hamburg kommt es immer wieder zu Brandanschlägen auf Autos. Wie die Polizei in den Nächten vorgeht und welche Präventivmaßnahmen sie ergreift, darüber hält sich die Innenbehörde weitgehend bedeckt. Ihr Sprecher Frank Reschreiter sagte dem Abendblatt, dass rund 80 Prozent der Taten auf reinen Vandalismus zurückzuführen seien. "Die politisch motivierten Brandanschläge auf Autos liegen im einstelligen Prozentbereich." Allein bis Ende Juli dieses Jahres verzeichnete die Hamburger Polizei 190 Fälle von Autobrandstiftungen. Im gesamten Jahr 2010 waren es dagegen "nur" 157 Fälle.

Als Reaktion auf die Brandstiftungen setzt die Hamburger Polizei seit einigen Monaten auf eine neue Strategie, die - so scheint es - bereits erste Erfolge zeigt. So verfolgen Hamburger Ermittler das Konzept einer "Gefährder-Ansprache". Dabei geht die Polizei gezielt auf Personen zu, die als potenzielle Brandstifter gelten. "Diese Täter werden zu Hause besucht. So wird ihnen vermittelt, dass sie im Fokus der Polizei sind", so Reschreiter. Vor allem sei die Lage seit Juni beruhigter als etwa noch im März dieses Jahres. Für Innensenator Michael Neumann (SPD) ist diese Präventionsmaßnahme aber noch kein Anlass, die Gefahr für Hamburgs Straßen kleinzureden. "Auch wenn es nach einer Entspannung der Lage aussieht und das neue Konzept der Polizei weiter verfolgt wird, gibt es keinen Grund zur Entwarnung", sagte der Senator dem Abendblatt.