Der kompakte Mercedes ist dynamischer und komfortabler als das Vorgängermodell geworden. Vorgestellt wird das Auto auf der IAA im September.

Dieser Spagat ist kein Kinderspiel: Auf der einen Seite soll die nächste Generation der Mercedes-B-Klasse glaubhaft den Aufbruch in eine neue Ära untermauern. Deshalb müsste sie eigentlich mindestens genauso jugendlich und dynamisch werden wie die A-Klassen-Studie aus Shanghai, mit der die Schwaben die Latte ziemlich hoch gelegt haben. Und auf der anderen Seite sollte sie jenen fast 700 000 Kunden gefallen, die sich seit ihrem Debüt 2005 für den Hochdach-Mercedes und gegen Autos wie einen VW Golf Plus entschieden haben.

Eine erhöhte Sitzposition, das üppige Platzangebot und die wenig dynamische Grundform einer Großraumlimousine stehen deshalb nicht zur Diskussion. Also praktisch und peppig? Cool und klassisch? Das sind die Extreme, die Designchef Gordon Wagener und Baureihenleiter Hans Engel unter einen Hut bekommen mussten. Wie ihnen das gelungen ist, werden die Kunden im September live sehen: Dann zieht Mercedes auf der IAA das Tuch von der neuen B-Klasse, die nur acht Wochen später schon in den Handel kommt. Erste offizielle Bilder gibt es aber schon jetzt.

Wo die A-Klasse den Angreifer spielt, gibt die um neun Zentimeter auf 4,36 Meter gestreckte B-Klasse den Bewahrer. Sie soll alles bieten, was die Kunden bei der aktuellen B-Klasse kennen- und lieben gelernt haben. Vergessen seien dagegen die bekannten Kritikpunkte, versprechen die Entwickler. Galten A- und B-Klasse bislang gerne als die Stiefkinder in der Modellfamilie, gehören sie künftig ganz selbstverständlich mit zur Partie. Technische Alleingänge wie der doppelte Boden oder die exklusiven Motoren sind passé, viele Gestaltungselemente sollen die Brücke zu den großen Limousinen schlagen.

Dafür haben die Schwaben nicht nur den Innenraum aufgemöbelt, sondern sie haben auch eine neue Sitzordnung eingeführt: Weil der bisherige Sandwichboden nur noch den Versionen mit alternativen Antrieben vorbehalten bleibt, sitzt der Fahrer acht Zentimeter tiefer im deutlich flacheren Auto. Zwar bleiben der bequeme Einstieg und der gute Ausblick erhalten, doch fühlt man sich jetzt hinter dem Steuer eher im Sitz als im Sattel. Auch hinten spürt man den Fortschritt bei der ersten Sitzprobe: "In einigen Dimensionen bietet der Fond der B-Klasse sogar mehr Platz als die S-Klasse", sagt Engel mit Blick auf die um 14 Zentimeter verschiebbaren Einzelsitze aus der Aufpreisliste. Mit ihnen kann man wahlweise den Knieraum der Hinterbänkler vergrößern oder den Kofferraum erweitern - von 488 auf stolze 666 Liter.

Größer, geräumiger, gereifter - das alles passt auch zum "alten" Geist der B-Klasse. Dass der Hoffnungsträger in eine neue Zeit fährt, davon zeugt vor allem das Design. Außen zeigt der kleine Nobel-Van mit größerem Grill, detailliert ausgearbeiteten Scheinwerfern und den beiden gegenläufigen Sicken auf der Flanke mehr Charakter. Und innen hat das Ambiente nichts mehr von der billigen Behäbigkeit des Vorgängers. Neben Holz und Leder gibt es auf Wunsch auch moderne Metallkonsolen, bunte Nähte bringen Farbe ins Spiel, und die Turbinen-Lüfter aus dem SLS sorgen auf der Armaturentafel buchstäblich für frischen Wind. Absoluter Blickfang allerdings ist der Monitor für Navi & Co. Nicht nur, weil darauf die Albumcover fließen wie auf dem iPod und es dort eine Online-Verbindung zu Twitter und Facebook gibt. Sondern vor allem, weil er fast frei im Raum steht wie der Flatscreen im Wohnzimmer.

Während die B-Klasse dem Rest der Familie damit deutlich vorauseilt, sucht sie in allen anderen Belangen erst einmal die Nähe zu C-Klasse & Co. Das gilt für das Heer der Assistenzsysteme vom Müdigkeitswarner bis zum Abstandshalter mit Notbremsfunktion ebenso wie für die Motoren. Ohne den Sandwichboden passen unter die Haube jetzt die normalen Vierzylinder aus der Großserie, die lediglich gedreht werden müssen. Trotzdem übernimmt Mercedes für den Neustart nicht einfach die bestehenden Aggregate, sondern überrascht mit einer komplett neuen Motorpalette. Los geht es mit zwei Benzinern, die von den großen Direkteinspritzern aus E- und S-Klasse abgeleitet sind. Sie haben 1,6 Liter Hubraum und kommen im B 180 auf 122 PS oder im B 200 auf 156 PS. Neu und trotzdem vertraut sind auch die beiden Diesel. Sie sind eine Weiterentwicklung des Sparwunders OM651, dessen Hubraum um 0,4 auf 1,8 Liter geschrumpft wurde. Es gibt die Vierzylinder zunächst im 109 PS starken B 180 CDI oder im B 200 mit 136 PS. Bremsenergierückgewinnung (Rekuperation) und Start-Stopp gibt es serienmäßig für alle Modelle, und gegen Aufpreis übernimmt erstmals auch eine Automatik mit Doppelkupplung die Schalterei. Bedient wird sie genau wie die Automatik in der S-Klasse vom Lenker aus.

Was jetzt noch fehlt, ist der Preis für die neue B-Klasse, den sich Mercedes als IAA-Überraschung aufgespart hat. Doch wenn die Schwaben Ernst machen mit der Zwitterrolle aus Bewahrer und Eroberer, dann können sie sich keine großen Aufschläge erlauben: Viel mehr als 25 000 Euro darf das Basismodell deshalb kaum kosten.