Die Zahl der Propaganda-Beiträge hat sich seit 2009 verdreifacht. Vor allem soziale Netzwerke und Videoplattformen werden benutzt.

Berlin. Die rechtsradikale Propaganda im Internet nimmt weiter zu. Die Online-Jugendschutzstelle "jugendschutz.net" zählte im vergangenen Jahr 6000 rechtsextreme Beiträge in sozialen Online-Netzwerken. Das seien rund dreimal so viele wie 2009, sagte der stellvertretende Leiter von "jugendschutz.net", Stefan Glaser, gestern in Berlin. Die Dunkelziffer liege aber noch deutlich höher. Hinzu kämen rund 1700 Webseiten, die rechtes Gedankengut verbreiteten.

Glaser schränkte zwar ein, dass die Zahl auch durch eine intensivere Recherche von "jugendschutz.net" gestiegen sei, der Trend sei aber klar zu erkennen. Vor allem die steigende Verbreitung in sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen bereitet dem Extremismus-Experten Sorge. "Dort kann eine viel größere Breitenwirkung erzielt werden", warnte Glaser.

Homepages müssten über eine Suchmaschine gefunden werden oder man müsse die Adresse kennen, um sie aufzurufen, erklärte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Thomas Krüger. Dieses Problem gebe es bei sozialen Netzwerken nicht. Zudem werde man über Verlinkungen schnell zu weiterem rechten Material weitergeleitet. Krüger forderte von den Onlineplattformen, entschiedener gegen rechte Beiträge vorzugehen. Einträge, die gegen Gesetze oder die Geschäftsbedingungen von Anbietern verstoßen, müssten nicht nur gelöscht werden, sondern es müsse auch verhindert werden, dass diese sofort wieder neu hochgeladen würden. Zudem appellierte er an die Nutzer, aktiv gegen solche Beiträge vorzugehen und diese zu melden. Auch eine "lebendige Auseinandersetzung" mit dem Thema sei wichtig. Die Netzaktivisten müssten sich neben den "klassischen Netzthemen" wie Datenschutz auch mit der "Hasspropaganda" auseinandersetzen.

Jugendliche seien die wichtigste Zielgruppe für die Neonazis im Netz. "Sie gehen dabei sehr subtil vor", analysierte Martin Ziegenhagen von der Beratungsstelle "Online-Beratung gegen Rechtsextremismus".

Auf den ersten Blick sei oft nicht zu erkennen, dass es sich um rechtes Gedankengut handele. Besonders durch Musik und Videos würden die Teenager geködert, während die Eltern mit der Situation überfordert seien oder gar nichts davon mitbekämen.

Über aktuelle Themen wie den Atomausstieg und die Euro-Krise oder über Konzerte näherten sich die Neonazis an. Spaß und Neugier stünden dabei zunächst im Vordergrund. "Es besteht kein Grund, Web-2.0-Plattformen per se zu verteufeln. Web 2.0 besitzt ein enormes Potenzial", sagte Ziegenhagen und nannte die Revolutionen im arabischen Raum als positive Beispiele. "Es ist aber auch der ideale Ort für Hochstapelei und Missbrauch." Er nahm ebenso die Schulen in die Pflicht, für Aufklärung der Jugendlichen zu sorgen und die Lehrer hierfür fortzubilden.

Um ihre Botschaft unter die Leute zu bringen, erfreut sich vor allem das Web 2.0 großer Beliebtheit, das soziale Netzwerke und Videoportale mit einschließt. Diese eignen sich besonders für die Verbreitung, da viele Menschen darauf zugreifen und durch Verlinkungen weitergeleitet werden können.

Im Verfassungsschutzbericht gewarnt wird zudem vor rechtsextremen Diskussionsforen und Blogs mit Kommentarfunktion. Experten sagen, dass die Neonazis sehr subtil vorgingen und der rechtsextreme Hintergrund oftmals nicht auf den ersten Blick erkennbar sei. Auch Frauen würden zunehmend mit Propaganda angesprochen. Für die 96 Prozent der unter 25-Jährigen, die das Internet regelmäßig nutzen, sei das eine große Gefahr.