Sachsens ehemaliger Ministerpräsident spricht von “Abenteuer“ und kritisiert Bundeskanzlerin Merkel wegen der Energiewende scharf.

Hamburg. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) wegen der Energiewende der Bundesregierung scharf kritisiert. Es sei ein politisches Abenteuer, "ohne Beteiligung der Partei einen neuen, angeblich alternativlosen und unumkehrbaren Weg einzuschlagen", sagte Biedenkopf der "Zeit". "Ich stimme mit dem Bundespräsidenten überein, dass es klug gewesen wäre, die Partei an diesem tief greifenden Kurswechsel zu beteiligen und sich für den neuen Weg deren Mandat zu sichern", fügte er hinzu.

Dies gelte auch für die CSU. Biedenkopf verwies darauf, dass in Bayern 57 Prozent des Stroms durch Kernkraft erzeugt werde. "Wie man nach dem Atomausstieg dieses Defizit aus eigener Kraft ausgleichen kann, muss intensiv diskutiert werden." Die Folgerungen der Kanzlerin aus der Atomkatastrophe in Fukushima könne er nicht nachvollziehen. Bis heute begründe die Kanzlerin ihren Kurswechsel nicht mit neuen für Deutschland relevanten Tatsachen.

Biedenkopf bezweifelte, dass die Energiewende innerhalb von zehn Jahren umsetzbar sein werde. "Spätestens nach der Wahl wird man den Ausstiegs-Zeitplan korrigieren." Es werde entweder höhere Preise oder höhere Steuern oder höhere Schulden geben - oder alles zusammen. Der CDU-Politiker legte dem Bundesrat nahe, das Gesetz der Regierung morgen abzulehnen.

Tatsächlich pocht bereits Sachsen auf Nachbesserungen am Energiepaket des Bundes. Ohne Änderungen werde der Freistaat dem Paket nicht zustimmen, berichteten die "Dresdner Neuesten Nachrichten" mit Verweis auf die Kabinettssitzung am Vortag in Bad Muskau. Sachsen sehe die einheimische Halbleiterindustrie zusätzlich belastet und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gebremst. Grund sind zusätzliche finanzielle Belastungen für Schlüsseltechnologien, die sich aus Umlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ergeben. Zudem will man Entsorgungskosten im früheren DDR-Atomforschungszentrum Rossendorf nicht allein tragen.

"Der Umbau der Energieversorgung darf kein ideologisches Jahrhundertexperiment auf Kosten von Industrie und Verbrauchern sein. Eine sachliche Auseinandersetzung und ein Handeln mit Sachverstand und Augenmaß sind angebracht", sagte Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP). Als Ziele nannte er neben einer hohen Versorgungssicherheit und bezahlbaren Energiepreisen für alle Endabnehmer auch die Schonung der Umwelt durch ideenreiche, neue Energietechnologien.

"Auch wenn die öffentlichen Haushalte knapp bei Kasse sind: Wenn die Strompreise durch den Atomausstieg steigen, muss an anderer Stelle eine Entlastung erfolgen. Energie muss für alle bezahlbar bleiben. Eine Steigerung der Energiekosten darf nicht dazu führen, dass Unternehmen abwandern und in Sachsen keine neuen Arbeitsplätze schaffen", forderte Morlok.

Nach der Atomkatastrophe in Japan steigt Deutschland als erste große Industrienation bis 2022 endgültig aus der Atomenergie aus. Der Bundestag stimmte am 30. Juni mit einer parteiübergreifenden Mehrheit für diesen historischen Wendepunkt in der Energiepolitik. Als Konsequenz aus der Fukushima-Katastrophe werden acht Atomkraftwerke sofort stillgelegt und die restlichen neun Meiler schrittweise abgeschaltet.