Selbst in der Koalition nimmt die Kritik an der Lieferung von 200 “Leopard 2“ nach Saudi-Arabien zu. Die Bundesregierung schweigt weiter.

Berlin. Das Ding, das den Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition derzeit schwer im Magen liegt, wiegt etwa 63 Tonnen: Es geht um den Kampfpanzer "Leopard 2" - und es geht um ein Rüstungsgeschäft, das das Gewissen der schwarz-gelben Koalition auf die Probe stellt. Rund 200 Leoparden sollen nach Saudi-Arabien geliefert werden, meldete der "Spiegel" am Montag. Prompt protestierte die SPD: Das sei illegal, Deutschland dürfe keine Waffen an Diktaturen liefern. Doch inzwischen macht sich auch in Teilen von Schwarz-Gelb Unbehagen breit.

Eine offizielle Bestätigung für den von Experten auf 1,7 Milliarden Euro Umfang geschätzten Kauf gibt es noch nicht: Der Bundessicherheitsrat, der solche Rüstungsgeschäfte genehmigen muss, tagt geheim. Die Bundesregierung selbst verweist auf den erst Ende des Jahres erscheinenden Rüstungsbericht. Und Panzerfabrikant Krauss-Maffei-Wegmann teilt auf Anfrage des Abendblatts mit, man sei "mit Blick auf Entscheidungen des Bundessicherheitsrates grundsätzlich zur Geheimhaltung verpflichtet".

Manchmal aber kann auch Schweigen beredt sein. So suchten gestern die führenden Köpfe der schwarz-gelben Koalition nach den passenden Worten, um adäquat zu reagieren. Die Entscheidung, "um die es möglicherweise geht, ist eine, die nicht vom Parlament getroffen wird", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier. Der CDU-Politiker verwies noch auf eine für heute angesetzte Aktuelle Stunde im Bundestag - und wehrte alle weiteren Nachfragen entschieden ab.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gab zu bedenken, das Thema sei eine klassische Entscheidung von Regierungshandeln. Sie wolle und könne sich gar nicht einmischen bei diesem "sensiblen Thema", dessen Details sie nicht kenne. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ließ sich erst recht nicht zu wortreichen Ausweichmanövern hinreißen. Er erklärte lapidar: "Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, und dabei bleibt es."

Solche Basta-Worte können jedoch nicht alle Abgeordneten ruhigstellen. Die Menschenrechtsexpertin der Fraktion, Erika Steinbach, meldete "erhebliche Bedenken" gegen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien an. "Mit Sicherheit hat die Intervention Saudi-Arabiens in Bahrain nicht dazu beigetragen, dass man mit mehr Wohlgefallen auf solche Anfragen schauen sollte."

Bei solchen Geschäften sei es "unverzichtbar, die Menschenrechtskomponente zu bedenken". Steinbach verwies darauf, dass sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) immer wieder auf die Bedeutung der Menschenrechte hinwiesen. Deswegen sei es für sie schwer nachvollziehbar, wenn "im Fall Saudi-Arabien etwas mit leichter Hand bewilligt wird". Saudi-Arabien, von der Königsfamilie seit Jahrzehnten autokratisch geführt, hatte sich mit Soldaten an der Niederschlagung der Demokratiebewegung im Nachbarstaat Bahrain beteiligt.

Der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt fordert nun von der Bundesregierung Auskunft über das Panzergeschäft: "Ich halte es nicht für vorstellbar, dass die 93 Abgeordneten der FDP-Fraktion in die Sommerpause gehen, ohne zu wissen, worum es hier geht", sagte Gerhardt.

+++ Leitartikel: Unnötige Geheimniskrämerei +++

Von einigen Beobachtern wurde das mutmaßliche Geschäft als eine Wende in der Rüstungspolitik der Bundesrepublik gedeutet: Schwere Waffen wurden bislang nicht in das arabische Land geliefert. Grund ist vor allem die Sorge, Israel mit Waffenlieferungen in feindlich gesinnte Staaten zu gefährden. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, vermutet daher, dass eine Entscheidung mit den USA und Israel abgestimmt worden sei. Auch in der SPD geht man davon aus, dass die Bundesregierung zuvor die Israelis informiert hat.

Die bisherige Zurückhaltung bedeutet nicht, dass die arabische Halbinsel für deutsche Rüstungsproduzenten tabu gewesen wäre. Nach Recherchen des Abendblatts gingen beispielsweise Radaranlagen, Torpedos und Sturmgewehre nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Beide Länder bestellten 2007 bis 2009 deutsche Rüstungsgüter im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro. Insgesamt liegt Deutschland inzwischen auf Platz drei der größten Waffenhersteller der Welt, hinter den USA und Russland. Das Friedensforschungsinstitut Sipri bezifferte die Waffenexporte 2010 auf 2,34 Milliarden Euro. Insgesamt liefern Waffenschmieden laut Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) etwa 70 Prozent ihrer Produkte ins Ausland. Dem Verband gehören auch zahlreiche, in Norddeutschland angesiedelte Unternehmen an, darunter Blohm + Voss in Hamburg, die Lürssen Werft in Bremen oder das Drägerwerk in Lübeck. Gebaut werden die Panzer allerdings vor allem in Süddeutschland.

Der "Leopard 2" gilt unter Militärexperten als der Beste seiner Art. Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) bezeichnet den Typ 2 A7+, der nun ausgeliefert werden soll, als den "Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts". Mit ihm hätten Streitkräfte "das bestmögliche Mittel, asymmetrische Bedrohungen durch Terroristen und Sprengsätze auf den Straßen zu bekämpfen". Deshalb, so argumentieren einige Unionsabgeordnete, sei der Panzer nicht unbedingt eine Kriegswaffe, sondern könne den westlichen Verbündeten Saudi-Arabien vor terroristischen Bedrohungen im Inneren schützen. Der Bonner Friedensforscher Jan Grebe warnte allerdings, der modernisierte Panzer lasse sich auch noch für einen ganz anderen Zweck einsetzen: um Proteste in dem arabischen Königreich niederzuschlagen.