“Es sind Sprossen“: Robert-Koch-Institut gibt Entwarnung für Gurken, Tomaten, Salat. Unterdessen ist der Darmkeim erneut in Holland aufgetaucht.

Den Haag. Bei einem holländischen Agrarbetrieb ist der EHEC-Keim auf Sprossen von Roter Bete aufgespürt worden. Vor wenigen Tagen war bereits ein erster Fund entdeckt worden. Bei beiden handele es sich aber nicht um den gefährlichen Typ O104:H4, der die Infektionswelle in Deutschland ausgelöst habe, sagte das Gesundheitsministerium in Den Haag am Sonnabend. Es ordnete zugleich die Vernichtung der betroffenen Sprossen beim Lieferanten sowie im Handel an. Zur Warnung für Verbraucher veröffentlichte die zum niederländischen Agrarministerium Haag gehörende Behörde für Lebensmittel und Warenprüfung (VWA) auf ihrer Website Etiketten der betroffenen Sprossen-Produkte. Um welchen konkreten EHEC-Typ es sich handelt, blieb zunächst unklar.

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Die Experten haben sich festgelegt: Sprossen waren der Auslöser für die EHEC-Epidemie in Deutschland. Es gebe eine lückenlose Indizienkette zu den Keimlingen vom Bio-Hof in Bienenbüttel (Kreis Uelzen), sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) am Freitag. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, formulierte es eindeutig: "Es sind die Sprossen."

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) betonte aber, die Arbeit der EHEC-Ermittler sei noch nicht beendet: "Zahlreiche Analysen stehen noch aus, viele Spuren müssen zurückverfolgt und abgeklärt werden." Noch unklar sei etwa, wie die Bakterien auf die Sprossen gelangt seien. Die Ende Mai ausgesprochene Warnung vor dem Verzehr von rohen Gurken, Tomaten und Blattsalat aber wurde aufgehoben.

Der Durchbruch bei der Suche nach dem EHEC-Erreger des besonders aggressiven Typs O104-H4 war in Nordrhein-Westfalen gelungen. Dort wurde er am Freitag erstmals auf Sprossen vom Bio-Hof in Bienenbüttel nachgewiesen. Die belastete Sprossenpackung stammt aus der Mülltonne einer dreiköpfigen Familie aus Königswinter bei Bonn. Mutter und Tochter der Familie seien sehr schwer erkrankt, sagte Landesverbraucherminister Johannes Remmel (Grüne). Der Vater habe nicht von den Sprossen gegessen, die angebrochene Packung aus der Mülltonne geholt und zur Untersuchung gebracht.

Der Bio-Hof in Bienenbüttel wurde inzwischen komplett gesperrt und darf auch kein anderes Gemüse mehr verkaufen. Bisher galt das Verkaufsverbot nur für Sprossen. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Lindemann erwartet, dass die Zahl der EHEC-Neuinfektionen nun weiter zurückgeht, weil die Quelle nichts mehr nachliefert. Allerdings sei eine Übertragung von Mensch zu Mensch weiter möglich.

Aus Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden am Freitag drei neue EHEC-Todesfälle gemeldet. Deren Zahl stieg damit auf 32. Auch die Zahl der EHEC-Erkrankungen und -Verdachtsfälle stieg im Norden weiter an, allerdings nur langsam. In Hamburg wurden am Freitag 987 EHEC-Erkrankungen und Verdachtsfälle gemeldet - 32 mehr als am Donnerstag. 166 Patienten lagen wegen des Hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) oder HUS-Verdachts im Krankenhaus. Der Chef des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), Prof. Jörg Debatin, sagte: "Die Situation entspannt sich zunehmend." Neue EHEC-Patienten meldeten sich "nur noch sehr vereinzelt". In Niedersachsen waren 606 EHEC-Fälle gemeldet, in Schleswig-Holstein 765.

Der Hamburger Gesundheitsbehörde droht unterdessen eine millionenschwere Schadenersatzklage eines spanischen Gemüseproduzenten. Nachdem die Behörde über EHEC-Funde auf spanischen Gurken informiert hatte, sei das Geschäft des Unternehmens eingebrochen, sagte die Anwältin der Firma. Die Juristin reichte beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Eilantrag auf Akteneinsicht ein.

Aufatmen können die norddeutschen Gemüsebauern und -händler. Bei einer Protestaktion in der Mönckebergstraße wollten sie am Freitagmorgen tonnenweise unverkäufliche Gurken, Tomaten und Salat verschenken. Zunächst griff kaum einer der Passanten in der Hamburger Innenstadt zu. Doch kaum war am Vormittag die Warnung aufgehoben, wurde den Händlern das Gemüse aus den Händen gerissen.