Der Kampf gegen die EHEC-Keime beginnt erst noch

Der bei Menschen sinnvolle Rechtsgrundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" darf für EHEC-verseuchte Sprossen nicht gelten. Folgerichtig haben die Epidemie-Experten des Robert-Koch-Instituts die Gemüsetriebe als Überbringer der todbringenden Keime öffentlich angeprangert. Die Indizienkette, die sich immer enger um den Biobetrieb aus Bienenbüttel zog, ließ keine Wahl. Was für den Erzeuger das geschäftliche Aus bedeutet, kann der besorgte Verbraucher leicht verschmerzen: Sprossen auf dem Speiseplan müssen nicht sein. Und noch mehr Entschlusskraft zeigten die amtlichen Risikobewerter an diesem Freitag, als sie im gleichen Atemzug die bisher unter Generalverdacht geratenen Gurken, Salatköpfe und Tomaten von der Warnliste der als gefährlich eingestuften Lebensmittel strichen.

Das klingt wie eine gute Nachricht. Aber zurück bleiben verwirrte Verbraucher und allzu viele Fragezeichen. Woher kamen die gefährlichen Bakterien eigentlich? Hat sich die gegen Antibiotika wehrhafte Variante wirklich im Verdauungssystem von Wiederkäuern gebildet? Oder ist der Mensch Hauptträger des Erregers? Wie gelangten die Übeltäter auf die Lebensmittel? Und das Wichtigste: Wie können wir in Zukunft eine neue EHEC-Welle im Keim ersticken? Anders ausgedrückt: Die Arbeit der Mikrobenjäger beginnt jetzt erst.

Denn eine mit Unsicherheiten behaftete Indizienkette darf nicht der Maßstab für die Zukunft sein. Jetzt müssen Fakten her. Am besten schnell und als Ergebnis einer zentral abgestimmten Koordination, die unsinnige Doppelarbeit verhindert und die vielfältigen Forschungsmöglichkeiten unseres Landes nutzt. Den Schrecken, den EHEC weit über Hamburg hinaus verbreitet hat, sollten Bundes- und Landespolitiker nutzen, um das föderale System noch besser für den Kampf gegen Krankheitskeime zu wappnen. Erreger scheren sich nicht um Bundesländergrenzen.

Am Ende sollte EHEC auch zur Demut mahnen. Denn manche vermeintliche Wahrheit hält einem Praxis-Test nicht stand. So steht das Siegel "Bio" zwar für alternative, naturnähere Produkte, für die man sich aus guten Gründen entscheiden kann. Eine Garantie, dass sie in jedem Fall gesünder sind, gibt es aber nicht. Und: Althergebrachte Hygieneregeln sind nicht überholt, auch wenn vorgewaschene Sprossen und Salat unter Klarsichtfolie anderes suggerieren. Darmbakterien haben auf Lebensmitteln nichts zu suchen. Aber wer Obst und Gemüse gründlich wäscht, lebt allemal sicherer.