Schwarz-Gelb fordert Zustimmung zum Energieplan. Nun werden Details des Stufenplans bekannt. Brokdorf wohl 2021 vom Netz.

Berlin. Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition setzen die Opposition unter Druck, die Regierungspläne zum beschleunigten Atomausstieg zu unterstützen. "Vor allem die Grünen müssen endlich mit ihrem Eiertanz aufhören", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle dem Hamburger Abendblatt. Er könne verstehen, dass die Partei den Verlust ihres wichtigsten Themas fürchte. "Jetzt gilt es aber, aus dem Schmollwinkel herauszukommen und gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen."

Die Opposition müsse von "dagegen" auf "dafür" umschalten, betonte Brüderle. Auf die Grünen komme nun die Aufgabe zu, die Gruppen, die sie bisher beim Protest gegen Stromleitungen und Kraftwerke unterstützt hätten, von der Notwendigkeit des Gegenteils zu überzeugen.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte "Bild am Sonntag", die Grünen hätten "mit dem Atomausstieg ein ähnliches Problem wie die FDP mit ihrer Forderung nach Steuersenkungen: Sie verengen sich auf ein Thema". Das koste Zustimmung in der Bevölkerung. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) betonte: "Wer sich der Energiewende verweigert, wird das den Bürgern erklären müssen. Denn ein solcher Konsens schafft nicht zuletzt zuverlässige Rahmenbedingungen für die erforderlichen Investitionen in Milliardenhöhe", sagte er. "Wenn die Opposition mitmacht, kann einer der größten gesellschaftlichen Konflikte in der Geschichte der Bundesrepublik gelöst werden."

Heute soll das neue Gesetz vom Bundeskabinett beschlossen werden. Es sieht vor, dass die acht bereits abgeschalteten Meiler stillgelegt werden und die verbleibenden neun Reaktoren bis 2022 stufenweise vom Netz gehen.

An den Plänen gibt es auch innerhalb der Koalition Kritik: Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz sagte dem "Focus": "Der schnelle Atomausstieg ist eine der verhängnisvollsten Fehlentscheidungen, die es in der bundesdeutschen Politik seit 1949 gegeben hat." FDP-Vize Holger Zastrow erklärte: "Der übereilte Ausstiegsbeschluss ist ein Fall von Planwirtschaft."

FDP-Fraktionschef Brüderle nannte das Ziel, bis 2022 aus der Kernenergie auszusteigen, ambitioniert. Entscheidend sei, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit im Blick zu behalten. "Mit dem von der Koalition nun vereinbarten Stufenplan ist das gewährleistet", so Brüderle. Der Kraftwerksbau und der Netzausbau müssten dringend beschleunigt werden, forderte er zudem. "Hier brauchen wir jetzt eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung wie nach der deutschen Einheit."

Die Grünen wollen bei einem Sonderparteitag Ende Juni über ihre Zustimmung entscheiden. Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: "Ob das geänderte Paket einen breiten Konsens finden kann, kommt auf die Details der endgültigen Gesetzesentwürfe an." Parteichefin Claudia Roth bekräftigte im "Tagesspiegel am Sonntag", dass ein Atomausstieg auch bis 2017 "machbar und möglich" sei. Die Anti-Atom-Gruppierung "Ausgestrahlt" warnte die Grünen, mit einer Zustimmung zum Ausstiegsplan "die Gemeinsamkeit" aufs Spiel zu setzen.

Auch die SPD hält sich nach Worten von Parteichef Sigmar Gabriel eine Zustimmung offen. "Wir werden keinem Gesetz zustimmen, das die Industrieproduktion in Deutschland und damit sichere Arbeitsplätze gefährdet", sagte er dem "Spiegel". Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, forderte einen bundesweiten Volksentscheid über die Verankerung des Atom-Ausstiegs im Grundgesetz. "Wir wollen, dass eine Anti-Atom-Klausel ins Grundgesetz kommt, andere Parteien auch. Dafür sollte es einen ersten bundesweiten Volksentscheid geben", sagte er dem Abendblatt. Die Energiewende sei ein guter Anlass, um mehr direkte Demokratie zu wagen."

Inzwischen wurden Details des Stufenplans zum Atomausstieg bekannt. So zeichnet sich ab, dass Brokdorf 2021 abgeschaltet wird (siehe Karte). Wie das "Handelsblatt" berichtet, soll eine der sieben ältesten Anlagen eine Notfallreserve bilden. "Eines der Kraftwerke, die nach dem Moratorium nicht wieder ans Netz gehen, soll bis Frühjahr 2013 als Reservekraftwerk zur Verfügung stehen", heißt es in einem Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums, das heute zur Abstimmung steht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor gesagt, die Kaltreserve solle möglichst von einem konventionellen Kraftwerk erbracht werden.

Lesen Sie hier das Brüderle-Statement:

Hamburger Abendblatt: Entspricht der Stufenplan zum Atomausstieg Ihren Vorstellungen?

Entscheidend ist, dass wir Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit beim Energiekonzept im Blick behalten. Das war der FDP besonders wichtig. Mit dem von der Koalition nun vereinbarten Stufenplan ist das gewährleistet. Bis 2022 aus der Kernenergie auszusteigen ist ein ambitioniertes Ziel, dass wir mit Vernunft und Augenmaß erreichen wollen.

Was muss bei der Umsetzung beachtet werden?

Wir müssen den Kraftwerksbau und den Netzausbau dringend beschleunigen. Deshalb habe ich schon in meiner Funktion als Wirtschaftsminister ein Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Hier brauchen wir jetzt eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung wie nach der Deutschen Einheit.

Was erwarten Sie von der Opposition?

Vor allem die Grünen müssen endlich mit ihrem Eiertanz aufhören. Ich kann verstehen, dass sie Angst vor dem Verlust ihres wichtigsten Themas haben. Jetzt gilt es aber, aus dem Schmollwinkel herauszukommen und gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen. Auf die Grünen kommt nun die Aufgabe zu, die Gruppen, die sie bisher beim Protest gegen Stromleitungen und Kraftwerke unterstützt haben, von der Notwendigkeit des Gegenteils zu überzeugen. Die Opposition muss jetzt von "Dagegen" auf "Dafür" umschalten.