Beim Benzin-Gipfel wollen die Minister Röttgen, Brüderle und Ramsauer eine Lösung im E10-Streit finden. Viel zu spät, meinen die Grünen.

Berlin. Niemand will schuld sein am Streit um die neue Benzinsorte E10. Doch kurz vor dem heutigen Benzin-Gipfel bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ging das Schwarzer-Peter-Spiel um den umstrittenen Biosprit in die nächste Runde. Dabei geriet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) weiter in die Defensive.

Während Röttgen keinen Kurswechsel zulassen will, wachsen außerhalb der CDU die Zweifel an dem Sinn des Biosprits. Auch blieb unklar, welche Auswirkungen das neue Benzin auf bestimmte ältere Fahrzeugmodelle haben kann. Die Grünen forderten gestern einen vorübergehenden Verkaufsstopp von E10. Zwei, drei Monate solle das Moratorium dauern, verlangte der Verkehrausschuss-Vorsitzende Winfried Hermann. "Es lohnt sich, so lange zu warten, bis die Automobilhersteller ihren Kunden rechtsverbindliche Informationen geben können, welche Autos E10 überhaupt vertragen", sagte der Grünen-Politiker dem Abendblatt. Einen alleinigen Schuldigen wollen die Grünen allerdings nicht gefunden haben. "Der Schwarze Peter liegt bei der Bundesregierung, der Automobilindustrie und der Mineralölindustrie", so Hermann.

Besagter Kraftstoff E10 hat einen Anteil von bis zu zehn Prozent Bioethanol. Allerdings vertragen die Motoren von knapp zehn Prozent der Autos auf deutschen Straßen die Sorte nicht. Zugleich ist die Mineralölwirtschaftsbranche verpflichtet, dieses Jahr 6,25 Prozent an Biosprit vom gesamten Kraftstoffabsatz zu verkaufen.

Während Röttgen E10 vor diesem Hintergrund für die beste umweltverträgliche Maßnahme hält, hatte sein Amtsvorgänger Sigmar Gabriel (SPD) 2008 die Einführung von E10 gestoppt. Damals hatte Gabriel seinen Entschluss damit begründet, dass die Umweltpolitik nicht die Verantwortung dafür übernehmen werde, wenn Millionen von Autofahrern an die teuren Super-Plus-Zapfsäulen getrieben würden. Genau dies ist derzeit offenbar der Fall: An den Tankstellen wird E10 gemieden, das teure Super Plus als Ersatz getankt.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Hermann, zeigt auch daher kein Verständnis für das Festhalten an dem Biosprit. "Wir brauchen kein E10, um die von der EU verlangte Quote an Biokraftstoffen im Gesamtverbrauch zu erfüllen", betonte der Grünen-Politiker. Das ganze Projekt müsse auf den Prüfstand. Der ökologische Nutzen dieses sogenannten Biokraftstoffs sei extrem fragwürdig. Er stellte klar: "Wir wissen nicht, woher die Agrartreibstoffe kommen." Die Beimischung von Biosprit sei nur vertretbar, wenn der Biosprit aus einer nachweislich nachhaltiger landwirtschaftlichen Produktion stamme.

Hermann machte sich keine großen Hoffnungen, dass Politik und Industrie beim heutigen Benzin-Gipfel ein Umdenken einleiten könnten. "Der Benzingipfel kommt ein Jahr zu spät", stellte er fest. "Wer in der Bundesregierung immer dafür war, sich nicht in die Belange der Wirtschaft einzumischen, ist wieder einmal eines Besseren belehrt worden. Wenn man der Wirtschaft nicht sagt, was sie zu tun hat, dann tut sie gar nichts."

Auch bei den Liberalen sinkt das Verständnis für die Biosprit-Strategie. FDP-Generalsekretär Christian Lindner wagte gestern die offene Konfrontation mit dem Umweltminister. "Wenn nötig, muss die gesamte Biosprit-Strategie und insbesondere ihr Zeitplan überdacht werden", sagte Lindner der "Rheinischen Post". Der Benzin-Gipfel müsse dazu Klarheit schaffen.

Der Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament Markus Ferber forderte einen Stopp der Einführung des neuen Sprits. Die EU verlange erst ab dem Jahr 2020 eine höhere Beimischung von Bioethanol. Die Öl- und die Autoindustrie hätten neun Jahre Zeit, einen Sprit zu entwickeln, den jeder Motor vertrage.

Ferbers Parteifreund, Verkehrsminister Peter Ramsauer, hielt sich gestern mit Schuldzuweisungen zurück. Neben Brüderle und Röttgen wird er heute zu den Hauptprotagonisten des Benzin-Gipfels gehören.

Die Linke indes warnte, der heutige Gipfel dürfe nicht zum reinen Lobbyistentreffen von Auto- und Mineralölindustrie verkommen. Und die SPD sah Umweltminister Röttgen angesichts der massiven Unklarheiten über E10 "heillos überfordert".

Das Umweltministerium war gestern vor allem um Schadensbegrenzung bemüht - und um Aufklärung: Eine Ministeriumssprecherin verwies etwa darauf, dass der Autohersteller BMW Unklarheiten zur Verträglichkeit von E10 inzwischen ausgeräumt habe. Noch am Wochenende hatte ein BMW-Experte Zweifel an der Verträglichkeit des Treibstoffs geäußert. Jetzt schon über ein Scheitern der Markteinführung von E10 oder eine Rücknahme zu sprechen, "wäre sicherlich zu früh", sagte die Sprecherin weiter. E10 solle schließlich dem Klimaschutz dienen.