Kurz vor dem “Benzin-Gipfel“: die Auswirkungen des Biosprits sind offenbar nicht klar. Auch die FDP schaltet sich nun in die Debatte ein.

Berlin. Nach dem Streit um den umstrittenen Biokraftstoff E10, werden nun auch in der FDP Rufe laut, die weitere Einführung kurzfristig zu stoppen und um einige Monate zu verschieben. Auf ein paar Monate mehr oder weniger käme es beim Verkaufsstart von E10 nicht an, heißt es pünktlich zu dem „Benzin-Gipfel“ vom verkehrspolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Patrick Döring. In einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ verlangte er Klarheit und Sicherheit für die Autofahrer. Dann würden sie den Kraftstoff auch kaufen.

Der neue Biosprit E10 soll nun doch nicht so unbedenklich sein wie zunächst angenommen. Kurz vor dem Benzin-Gipfel der Bundesregierung erhalten die Zweifel der deutschen Autofahrer an der Verträglichkeit des neuen Biosprits E10 neue Nahrung. Ein Experte sagte am Wochenende, die Autohersteller könnten die Folgen für die Motoren noch nicht genau abschätzen. Derweil hält die Bundesregierung an der Einführung des umstrittenen Kraftstoffs fest.

Dei Abhängigkeit vom Öl solle reduziert werden, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) mitteilte. Darüber gebe es einen Konsens über die Parteigrenzen hinweg. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte die Benzinhersteller für das Chaos bei der E10-Einführung verantwortlich. Die Mineralölwirtschaft müsse die "Informationsdefizite erläutern und die Aufklärung der Verbraucher wesentlich verbessern», forderte der Minister. «Die Verwirrung an der Zapfsäule muss ein Ende haben."

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), forderte dagegen ein vorläufiges Aus für das Biosprit-Projekt. Es müsse zunächst geklärt werden, welche Motoren den Sprit wirklich vertrügen und worin der ökologische Nutzen bestehe.

VERTRÄGT MEIN AUTO DEN BIOSPRIT?

Der Leiter der Mechanikentwicklung bei BMW, Thomas Brüner, befürchtet, dass E10, bei dem herkömmlichem Benzin zehn Prozent Ethanol aus Getreide und Zuckerrüben beigemischt ist, dafür sorgen könnte, dass Motoren schneller verschleißen. Durch den hohen Ethanolanteil nehme die Wassermenge im Motor zu, es kondensiere und gelange ins Öl, das so dünner werde und schneller altere. Das bedeute wiederum kürzere Ölwechselintervalle zulasten des Kunden. Ob es so weit kommt oder der in Deutschland verkaufte E10-Sprit gut genug ist, wissen die Autobauer Brüner zufolge noch nicht. BMW will nun gemeinsam mit dem Konkurrenten Daimler Tests durchführen.

Der Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Holger Krawinkel, hält die Verbraucherproteste gegen E10 für "völlig rational". Dem Autofahrer werde ein ökologisch fragwürdiger Kraftstoff mit geringerer Energiedichte aufgenötigt, der zu Mehrverbrauch führe und ohne jeden Garantieanspruch den Motor schädigen könne, worüber sich der Autofahrer aber selbst die nötigen Informationen beschaffen solle.

Erstmals kritisierte am Wochenende auch ein namhafter Vertreter der Autoindustrie die Umstände der Einführung von E10. Der frühere Europa-Chef von General Motors und heutige Chef des indischen Autokonzerns Tata, Carl-Peter Forster, sagte, dies sei "extrem ungeschickt" gemacht worden, "weil die Leute immer noch Angst haben, dass ihr Auto kaputt geht". Der Kraftstoff selber sei noch nicht problemfrei, sagte Forster, der auch Jaguar und Landrover leitet. Er greife wichtige Kunststoff-Bauteile im Motor an. Hinzu kämen "moralische Bedenken" auf der Seite der Verbraucher.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen erklärte am Sonntag, in Deutschland fehle umweltfreundlichen Antrieben die Lobby. Dafür scheine E10 ein Beispiel zu sein, "das zeigt, dass sich die Deutschen sehr schwertun, auf umweltfreundliche Fahrzeuge und Kraftstoffe umzuschwenken". Als Gründe nannte er die Steuerpolitik, die von Interessenverbänden geschürte Unsicherheit und die "wenig systematische" Wirtschafts- und Umweltpolitik in Deutschland.

Warum wird E10 angeboten?

Mit E10 setzt die Bundesregierung eine EU-Vorgabe um. Diese sieht vor, dass fortan 6,25 Prozent (nach Energiegehalt) des verkauften Kraftstoffs Biosprit sein müssen. Das soll den Kohlendioxid-Ausstoß senken. Um die Quote zu erreichen, haben Raffinerien den Anteil von Bioethanol im Superbenzin von fünf auf zehn Prozent (des Volumens) verdoppelt.

Gibt es andere Möglichkeiten, die Quote einzuhalten?

Das Gesetz erlaubt es, die Quote auch durch den Verkauf von reinem Biokraftstoff zu erfüllen, wie ihn landwirtschaftliche Fahrzeuge tanken. Es sei gängige Praxis, dass die Mineralölwirtschaft den Biodiesel in großen Mengen auf die Quote anrechnen ließe, erklärt der Verband der Deutschen Biokraftstoff-Industrie. Der Mineralölwirtschaftsverband hingegen zweifelt daran, dass sich genügend reiner Biosprit absetzen lässt, um die Quote zu erfüllen.

Welche Risiken gehen von E10 aus?

90 Prozent der Autos mit Benzinmotor können "ohne Einschränkungen" E10 tanken. Über vier Millionen der in Deutschland zugelassenen Autos vertragen den Sprit jedoch nicht. Laut ADAC kann E10 aggressiv mit Metall- und Kunststoffteilen reagieren.

Welche Alternativen zu E10 gibt es?

Es gibt weiterhin Superbenzin mit fünf Prozent Bioethanol. Allerdings bieten die Tankstellen dieses in der Regel nur in Form von teurerem Super Plus an.

Wie viel kostet der neue Sprit?

Die Tankstellen verkaufen den E10-Kraftstoff in der Regeln zum Preis des herkömmlichen Superbenzins. Da der Sprit mit fünf Prozent Ethanol dann nur noch als Super Plus erhältlich ist, ist dieser bedeutend teurer als E10. Laut ADAC beträgt die Differenz zwischen den beiden Sorten im Schnitt acht Cent pro Liter. In Hamburg noch nicht.

Ist der Spritverbrauch bei E10 höher?

Der Verbrauch steigt Berechnungen zufolge im Vergleich zum alten Superbenzin um knapp zwei Prozent. Grund ist der geringere Energiegehalt von Alkohol im Vergleich zu Benzin.

Wo kann ich mich informieren?

Informationen zur Verträglichkeit von Autos gibt es bei Händlern und Herstellern sowie bei der Deutschen Automobil Treuhand.(AFP/dapd/abendblatt.de)