Heute ist Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in Hamburg

Hamburg. Das rote Backsteingebäude mit dem spitzen Turm gegenüber den St.-Pauli-Landungsbrücken sieht aus wie eine Mischung aus einem Kontorhaus und einer Kirche. Es ist tatsächlich beides: Neben Büroräumen beherbergt es vor allem die "Gustav Adolfskyrkan" - die schwedische Seemannskirche aus dem Jahre 1907. Das Haus ist ein Symbol für die alten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hamburgern und Schweden - den "Preußen Skandinaviens". Deutschland und Schweden sind zwei der stärksten Triebkräfte in der aufblühenden Region Ostseeraum, deren enge Kooperation wie eine Neuauflage der historischen Hanse wirkt. Ein Besuch des schwedischen Regierungschefs in der Hansestadt Hamburg hat daher einen fast familiären Charakter. Heute ist Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in Hamburg - auf Einladung des Hamburger Abendblatts und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Es geht natürlich vor allem um Wirtschaft - und um die Frage, ob des Liberalkonservativen Reinfeldts Kurs ein Vorbild auch für die deutsche Politik sein kann.

Schweden mit seinen 9,4 Millionen Einwohnern hat die Krise der vergangenen Jahre überstanden. Mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 5,5 Prozent im vergangenen Jahr lag das skandinavische Land an der Spitze der EU-Mitgliedstaaten. In diesem Jahr soll das Wachstum nach Schätzung der schwedischen Notenbank mehr als vier Prozent betragen. Schwedens Bruttoinlandsprodukt lag mit 43 986 US-Dollar noch über dem deutschen von 40 875 Dollar. Von einem Agrarland hat sich Schweden im vergangenen Jahrhundert zu einem Top-Industriestaat entwickelt. Das Land profitierte von der Erfindungsgabe seiner Menschen wie auch von reichen Rohstoffvorkommen, etwa Erzen und Holz.

Die Phase des allumfassenden Wohlfahrtsstaates des "Volksheims" ist passé - trotz enorm hoher Steuern war dieses Modell auf Dauer nicht zu bezahlen. Schwedens Verschuldung weist heute einen der besten Werte in der EU auf; der Staat erwirtschaftete in den vergangenen Jahren Überschüsse. Dabei kam speziell die Fahrzeugindustrie in Schweden während der vergangenen Jahre schwer unter Druck. Saab gehört mittlerweile einem niederländischen Investor, Volvo ging in das Eigentum eines chinesischen Konzerns über. Die Lastwagenmarke Scania wird vom Volkswagen-Konzern kontrolliert. Sehr zielstrebig wurden in Schweden allerdings auch neue Wirtschaftszweige wie die Biotechnologie oder die Telekommunikationsbranche vorangetrieben.

Hamburg besitzt für Schwedens Wirtschaft besondere Bedeutung. Nach Angaben der Handelskammer haben in Hamburg und Umgebung rund 200 schwedische Unternehmen ihren Sitz - dies sei die größte Konzentration schwedischer Unternehmen im Ausland. "Meine Prognose für die Wirtschaftsverbindungen zwischen Hamburg und Schweden ist, dass wir ein verstärktes Engagement schwedischer Unternehmen in Deutschland sehen werden", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Matthias Jagenberg, Mitglied des Vorstands der schwedischen Handelskammer in Deutschland. "Dabei wird Hamburg als traditioneller Handelsplatz und natürlicher Ausgangspunkt schwedischer Wirtschaftsaktivitäten und der Hamburger Hafen als größter Umschlaghafen schwedischer Im- und Exporte besonders profitieren." Die bekanntesten Marken in der Stadt sind das Möbelhaus Ikea, der Textilkonzern Hennes und Mauritz und die Hotelkette Radisson SAS. Auch schwedische Unternehmen aus einer Vielzahl anderer Branchen sind in Hamburg vertreten, etwa Svenska Handelsbanken, die Personalberatung Mercuri Urval oder Kockums Computer Systems.

Vor allem aber versorgt ein schwedisches Unternehmen Hamburg mit Strom: Vattenfall Europe ist ein Tochterunternehmen des Staatskonzerns Vattenfall. In Hamburg begannen die Schweden zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts ihren Einstieg am deutschen Strommarkt. Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) wurden Teil von Vattenfall Europe. Das Unternehmen ist heute der führende Stromversorger in Nordostdeutschland.

Umgekehrt unterhalten rund 950 Hamburger Unternehmen Wirtschaftsbeziehungen mit und teils auch Vertretungen in Schweden, etwa der Konsumgüterkonzern Beiersdorf oder der Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich. Auch im Hamburger Hafen zeigt sich die enge Bindung der Stadt an die schwedische Wirtschaft: Beim Containerumschlag liegt Schweden auf Rang sechs der Länderstatistik.