Er will eine Akzeptanz-Offensive starten: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gründet ein Dialogforum und warnt vor Stromausfällen.

Hamburg. Auf Deutschland kommt ein massiver Ausbau der Stromnetze zu. An den Planungen und Baumaßnahmen will die Bundesregierung nun die Bürger frühzeitig beteiligen. Der erste Schritt soll bereits am morgigen Dienstag vollzogen werden, wenn Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einen "Nationalen Pakt für Netze" ins Leben rufen wird. "In Deutschland fehlen bis 2020 rund 3600 Kilometer an Stromleitungen. Wir brauchen also einen gigantischen Netzausbau", sagte Brüderle dem Hamburger Abendblatt. Ohne die Akzeptanz der Bürger gehe das nicht, betonte der Minister.

Als wichtigstes Element des Netzpakts soll eine Netzplattform gegründet werden, auf der neben Regierungsvertretern auch Netzbetreiber, Wirtschaftsverbände und Nicht-Regierungsorganisationen an einem Tisch sitzen. Neben Arbeitsgruppen soll es einen Beirat mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und gesellschaftlichen Gruppen geben, der die Entscheidungsprozesse begleitet und moderiert. "Wir werden besprechen, wo der Netzausbau konkret beginnen muss. Auf jeden Fall müssen wir jetzt Gas geben", forderte Brüderle.

Es gehe darum, Entscheidungsprozesse deutlich zu beschleunigen, sagte der Minister. "Wir wollen, dass die zuständigen Instanzen keine unnötig langwierigen Verfahren führen. Das kostet Zeit, die wir nicht haben." Deshalb setze man auf den direkten Dialog. "Wir starten eine Akzeptanz-Offensive und wollen mit den Menschen in den Dialog treten. Wir müssen frühzeitig für Klarheit sorgen, wie viel, wo und welche Art von Netzausbau wir brauchen", so Brüderle. Nur so könne man die Bürger dabei mitnehmen. "Wir müssen dabei aber auch endlos lange Genehmigungsverfahren vermeiden", warnte er.

Der Wirtschaftsminister nannte den Bedarf an Leitungen "unbestritten". Den Ausbau der Stromleitungen müssten alle unterstützen, forderte er. "Wir können ohne sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Strom unseren Wohlstand nicht halten und auch den Weg zur Vollbeschäftigung nicht weitergehen", verdeutlichte er die Notwendigkeit sofortigen Handelns. Man sehe es an den USA, welche Folgen man zu tragen habe, wenn man den Netzausbau auf die lange Bank schiebe. "New York und andere Orte hatten fatale Blackouts. Das sollte uns eine Mahnung sein, damit wir in Deutschland den Netzausbau anpacken, um weiterhin eine hohe Versorgungssicherheit von bewährter deutscher Qualität zu haben", so Brüderle weiter. Er sprach sich dafür aus, im Rahmen der Netzplattform über die Einführung von Entscheidungsfristen zu diskutieren. "Wenn es um Möglichkeiten gehe, Energie-Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen, sollte man sich von Denkverboten freimachen", sagte der FDP-Vize. Denn dazu sei der Handlungsbedarf beim Netzausbau zu groß. Er könne sich hier zum Beispiel klare Fristen vorstellen, in denen eine Entscheidung getroffen werden müsse. Dabei gehe es auch um eine geeignete Form der Bürgerbeteiligung. "Auch darüber werden wir im Rahmen der Netzplattform nachdenken müssen."

Die Bürger müssen sich auch aufgrund des Netzausbaus auf weiter steigende Energiepreise einstellen. Natürlich würden die Kosten des Netzausbaus über Preise rückfinanziert, gab der Minister zu bedenken. Der Netzausbau habe seinen Preis. Dennoch können die Kosten für die neuen Netze gedämpft werden, indem man etwa vornehmlich überirdische Kabel verlegt. "Gerade wenn Erdkabel auf der Höchstspannungsebene verlegt werden, ist dies erheblich teurer als eine überirdische Leitung", warnte Brüderle. Umso wichtiger sei es, "dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um den Netzausbau so effizient wie möglich zu machen", fügte der Wirtschaftsminister hinzu.