Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus beklagt zudem Mängel im Sanitätswesen.

Berlin. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat gestern seinen mit Spannung erwarteten Jahresbericht 2010 vorgelegt. Auf einer Pressekonferenz in Berlin äußerte sich der Wehrbeauftragte auch zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Segelschulschiff "Gorch Fock", der geöffneten Feldpost und dem Tod eines Soldaten bei Waffenspielereien in Afghanistan.

"Gorch Fock": Nach eigenen Aussagen erfuhr der Wehrbeauftragte erst von den Auffälligkeiten an Bord der "Gorch Fock", als die rund 80 Offiziersanwärter zu dem tödlichen Sturz einer Soldatin aus der Takelage befragt wurden. "Bis dahin hat es auf der 'Gorch Fock' keine Auffälligkeiten gegeben, jedenfalls keine, die man besonders hätte berichten müssen", sagte Königshaus. Den Weiterbetrieb des Segelschiffs stellte er nicht infrage. Entscheidend sei, ob die Soldaten vor ihrem Einsatz richtig ausgebildet und gesichert seien. "Ich habe aber persönliche Zweifel daran, ob es nötig ist, unausgebildete Soldaten sieben- oder achtmal aufentern zu lassen, was sehr anstrengend ist." Es sei eine Frage der Reife der Ausbilder, wie weit sie jemanden an seine Grenzen heranführen könnten. Den Vorschlag einer Gleichstellungsbeauftragten an Bord nannte Königshaus "vernünftig". Nach seinen Angaben gab es 2010 in der Bundeswehr drei gravierende Fälle von sexueller Belästigung. Dabei sei eine Soldatin bedrängt worden, eine andere sei von einem Kameraden in den Schwitzkasten genommen und Richtung Hose gedrückt worden, im dritten Fall sei zwei Soldatinnen "Poklatschen" angedroht worden. Belästigungen und Schikanen seien Einzelfälle, kein strukturelles Problem.

Feldpost: Laut Königshaus seien Feldpostbriefe in Deutschland vom Zoll geöffnet worden. Dabei seien offenbar USB-Sticks und Speicherkarten entnommen worden, obwohl auch für diese Post das Fernmeldegeheimnis gelte. Er habe den Zoll nun aufgefordert anzugeben, auf welcher Rechtsgrundlage die Öffnung vorgenommen worden sei.

Tod bei Waffenspielen: Angesichts des Todes eines Soldaten, den offenbar ein Kamerad aus Versehen erschoss, kritisierte Königshaus die zögerliche Informationspolitik der Bundeswehr. Es habe in den letzten Monaten acht Fälle von unbeabsichtigter Schussabgabe beim Waffenreinigen gegeben, berichtete der FDP-Politiker. "Ich habe den Eindruck, dass die Soldaten im Feldlager, die teilweise mit großkalibrigen Waffen zu tun haben, den Respekt vor vermeintlich kleinen Waffen wie Pistolen verlieren." Die Dienstaufsicht sei gefordert, für die nötige Sensibilisierung zu sorgen.

Sanitätsdienst: Beim Sanitätsdienst attestiert Königshaus - wie schon sein Vorgänger Reinhold Robbe - der Truppe gravierende Mängel. Sorge bereite ihm weiterhin der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. "Hier muss etwas getan werden", forderte Königshaus. "Der Sanitätsdienst kann im Zuge der Wehrreform nicht Teil der Reduzierung werden, die Bundeswehr muss ihm höchstens entgegenschrumpfen." Schon heute könne der Sanitätsdienst seine Aufgaben nur unter Rückgriff auf zivile Ärzte erfüllen.

Ausrüstung in Afghanistan: "Ich kann mit Freude eine deutliche Verbesserung der Ausrüstung und Bewaffnung in Afghanistan feststellen", sagte Königshaus. Aufgrund der schwereren Bewaffnung wie der Panzerhaubitze und der besseren Aufklärungsmittel habe sich die Sicherheitssituation "enorm verbessert". "Das hat damit zu tun, dass die Soldaten nicht mehr so schutzlos wirken", sagte der Wehrbeauftragte.