Der saarländische Ministerpräsident (CDU) kann sich eine Öffnung des Grundgesetzes vorstellen und ruft zu mehr Gemeinsinn auf.

Hamburg. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat sich für Volksentscheide auch auf Bundesebene ausgesprochen. „Wir haben Plebiszite in Ländern und Kommunen. Das Grundgesetz ist bisher sehr zurückhaltend. Eine Öffnung kann ich mir vorstellen“, sagte er abendblatt.de.

Müller schlug ein „mehrstufiges Verfahren zu einem Plebiszit“ vor, um „Entscheidungen aus einer emotionalen Sondersituation heraus“ zu verhindern. Dabei erinnerte der Regierungschef auf Erfahrungen in der Schweiz: „Wir haben vor einigen Wochen erlebt, dass die Schweizer nach einem aufgeheizten Wahlkampf für das schärfste Ausländerrecht Europas gestimmt haben. Und ich bin mir nicht sicher, wie in Deutschland ein Plebiszit zum Bau von Moscheen ausgehen würde.“

Mit Blick auf die Bürgerproteste etwa gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 rief Müller zu mehr Gemeinsinn auf. „Eine Dagegen-Republik ist nicht zukunftsfähig“, sagte er. „Eigene Interessen zu verfolgen ist legitim, muss aber immer auch gemeinwohlbezogen sein. Viele Prozesse verlaufen nach dem Motto: Wenn jeder an sich selber denkt, ist an alle gedacht. Das kann nichtrichtig sein.“

Das Interview mit Peter Müller:

abendblatt.de: Welche Lehren sollte die Regierung aus den Bürgerprotesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 und die Castor-Transporte ziehen?

Müller: Das ist eine Bewegung, die uns sehr nachdenklich machen muss. Eine Dagegen-Republik ist nicht zukunftsfähig. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über die Frage: Welche Verpflichtung gibt es, Interessen des Gemeinwohls bei der Verfolgung eigener Interessen zu berücksichtigen? Eigene Interessen zu verfolgen ist legitim, muss aber immer auch gemeinwohlbezogen sein. Viele Prozesse verlaufen nach dem Motto: Wenn jeder an sich selber denkt, ist an alle gedacht. Das kann nicht richtig sein.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Kirchhof, hat sich im Abendblatt-Interview für mehr direkte Demokratie eingesetzt. Wir fragen den Politiker Müller und nicht den möglichen Verfassungsrichter: Können Volksentscheide die Wut der Bürger kanalisieren?

Müller: Wir haben Plebiszite in Ländern und Kommunen. Das Grundgesetz ist bisher sehr zurückhaltend. Eine Öffnung kann ich mir vorstellen. Wenn wir mehr Volksentscheide auf Bundesebene zulassen, brauchen wir allerdings ein Verfahren, das Emotionen dämpft.

Was verstehen Sie darunter?

Müller: Ein mehrstufiges Verfahren zu einem Plebiszit kann verhindern, dass Entscheidungen aus einer emotionalen Sondersituation heraus getroffen werden. Wir haben vor einigen Wochen erlebt, dass die Schweizer nach einem aufgeheizten Wahlkampf für das schärfste Ausländerrecht Europas gestimmt haben. Und ich bin mir nicht sicher, wie in Deutschland ein Plebiszit zum Bau von Moscheen ausgehen würde.