Berlin. Der ehemalige Kandidat von SPD und Grünen für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, hat sich gegen den Vorstoß der Grünen für Volksentscheide auf Bundesebene ausgesprochen. Zwar brauche es mehr plebiszitäre Elemente, wenn die Bevölkerung sich zu wenig am politischen Prozess beteiligt fühle, sagte Gauck am Wochenende im Deutschlandradio Kultur. Auf Bundesebene müsse Deutschland Volksentscheide aber "nicht unbedingt" haben: "Dann würde im Grunde alles, was mit Entscheidungen zusammenhängt, unendlich verzögert."

Auch im Lager der Regierungsparteien sind Volksentscheide auf Bundesebene weiter umstritten. Aus Sicht der Union sind sie überflüssig. "Da haben wir ein bewährtes und gut austariertes System", sagte die stellvertretende CSU-Generalsekretärin, Dorothee Bär, dem Hamburger Abendblatt. Auf europäischer Ebene sehe das allerdings anders aus. "Wir sind dafür, dass die Menschen bei zentralen europäischen Fragen mehr mitreden können. Wenn Deutschland etwa zentrale Hoheitsrechte unwiderruflich an Europa abgeben soll oder wenn es um die Aufnahme neuer Staaten in die EU geht, sollte das Volk die Möglichkeit bekommen, darüber abzustimmen." Das, so die CSU-Politikerin, sei wichtig für die Akzeptanz Europas bei den Bürgern.

Der FDP-Politiker Stephan Thomae erinnerte daran, dass die Liberalen in den Koalitionsverhandlungen mit der Union für die Einführung des bundesweiten Volksentscheides eingetreten sind, sich mit dieser Forderung aber nicht durchsetzen konnten. "Wir sind da nicht die Bremser", sagte Thomae dem Abendblatt. Der Kompromiss, den man gefunden habe - die Aufwertung und Weiterentwicklung des Petitionswesens -, solle nach der Sommerpause umgesetzt werden soll. Dabei gehe es im Kern darum, dass Massenpetitionen von Bürgern künftig im Plenum und auch in den Fachausschüssen beraten werden sollen. "Das", so Thomae, der nicht nur im Rechtsausschuss sitzt, sondern auch Petitionsbeauftragter der Liberalen ist, "ist immerhin ein erster Schritt. Über weitere Maßnahmen sind wir gerne jederzeit zum Gespräch bereit."