Die Hartz-IV-Reform droht im Bundestag zu scheitern. Das Saarland kündigte an, sich zu enthalten. Zahlungen werden sich verzögern.

Berlin. Die Frist des Bundesverfassungsgerichts wird überschritten - so viel steht wohl schon fest. Im Februar hatten die Richter die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder als verfassungswidrig gerügt und eine Neuregelung bis 31. Dezember 2010 gefordert. Doch erst eine Woche vor Weihnachten steht die Reform am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung. Eine Blockade ist so gut wie sicher.

Das Saarland kündigte gestern an, sich wegen Bedenken der Grünen bei der Abstimmung über die Anhebung der Regelsätze um fünf Euro und das Bildungspaket für Kinder zu enthalten. "Am Freitag wird das Gesetz abgelehnt", sagte der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich. Im Bundesrat ist das Land das Zünglein an der Waage, ohne seine drei Stimmen hat Schwarz-Gelb dort keine Mehrheit.

Alle Bundestagsfraktionen gingen davon aus, dass über die Reform in einem Vermittlungsausschuss beraten werde, sagte Thomas Oppermann, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dem Hamburger Abendblatt. Die Fraktionen hätten sich auf ein Treffen bereits am Montag um 14 Uhr verständigt. "Wir fordern bei dem Treffen deutlich mehr Geld für Ganztagsschulen", hob Oppermann hervor. Die Pläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) führten in eine Gutscheinbürokratie. "Wir wollen Ganztagsbetreuung. Anstelle von 1300 neuen Gutschein-Verwaltern brauchen die Schulen in Deutschland mehr Sozialarbeiter", sagte der SPD-Politiker. Wenn sich die Parteien im Januar über klare Nachbesserungen einigten, sehe er gute Chancen, dass das dann verbesserte Bildungspaket für Kinder aus ärmeren Haushalten schnell in Kraft treten könne. Am 11. Februar tagt der Bundesrat zum ersten Mal in 2011 - und könnte dann dem veränderten Gesetz zustimmen. Für die Erhöhung der Regelsätze um fünf Euro schon ab Januar sieht Oppermann auch ohne beschlossenes Gesetz keine Hürden. "So wird auch bei der Beamtenbesoldung im Vorgriff einer gesetzlichen Erhöhung verfahren", ergänzte er.

In der Union sieht man das anders. Der Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sieht keine Rechtsgrundlage, die fünf Euro an Hartz-IV-Empfänger auszubezahlen, bis es ein "politisch belastbares Ergebnis" im Vermittlungsausschuss gebe. Das Gleiche gelte für eine vorgezogene Anwendung des Bildungspakets. Der CDU-Politiker appellierte an die SPD, "ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung" gerecht zu werden. Die Regierung wolle keine rechtsfreien Räume und erwarte, dass die SPD ergebnisorientiert verhandele.

Die Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, forderte SPD und Grüne auf, "endlich Farbe zu bekennen". Mit der Blockade der saarländischen Grünen im Bundesrat hätten "beide Parteien im Vermittlungsausschuss die Chance, zumindest die Forderungen der Sozialverbände, die Hartz-IV-Regelsätze auf 420 Euro zu erhöhen, durchzusetzen", sagte Lötzsch dem Abendblatt.

Doch selbst wenn es ein Vermittlungsergebnis noch in diesem Jahr gäbe, müssten diesem Bundesrat und Bundestag zustimmen. Vor dem Jahreswechsel wäre dies nur in Sondersitzungen möglich. Und auch dann wäre eine Auszahlung der neuen Hartz-Sätze zum 1. Januar. Die BA braucht spätestens am 17. Dezember eine Entscheidung, um die Januar-Bescheide richtig auszustellen und zu verschicken. Für die 4,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger hat das weitreichende Folgen. Die Reform sieht die Anhebung der Sätze für Erwachsene zum 1. Januar auf 364 Euro monatlich vor. Erst wenn eine gesetzliche Grundlage vorliegt, kann die BA die Erhöhung nachzahlen. Unklar ist, ob dies auch für das Förderpaket für Kinder aus ärmeren Verhältnissen gilt. Für 2,3 Millionen Kinder sind 700 Millionen Euro pro Jahr geplant - Zuschüsse für Schulmaterial, Mittagessen und Freizeitaktivitäten. Das Arbeitministerium prüft nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung", ob das Bildungspaket schon ab Januar greifen kann. Eine rückwirkende Nachzahlung von Mittagessen oder Schulmaterial schloss die BA dagegen aus.

Der Deutsche Kinderschutzbund begrüßte die Ankündigung der saarländischen Grünen, der Hartz-IV-Reform nicht zuzustimmen. Damit werde der Weg für dringend nötige Verbesserungen frei.