Mit dem Beschluss einer Alternative zum Duldungsstatus für ausländische Jugendliche endete das Treffen der Innenminister in Hamburg.

Hamburg. Die Innenminister der Länder wollen gut integrierten ausländischen Jugendlichen in Deutschland ein eigenes Bleiberecht ermöglichen. Damit sollten diejenigen, die sich anstrengen und eine Perspektive haben, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, aus dem Duldungsstatus herausgeholt werden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag zum Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg. Dies gelte nicht für die Eltern.

Die Ressortchefs verständigten sich darüber hinaus auf die Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Kriminalitätsbekämpfung – die sogenannte Vorratsdatenspeicherung - und auf eine schärfere Überwachung der Prostitution. Außerdem forderten sie den Bund auf, sich an den Polizeikosten für nationale Aufgaben, etwa für Castor-Transporte, zu beteiligen.

Wer sich aber der Integration entziehe, betonte der IMK-Vorsitzende und Hamburger Innensenator Heino Vahldieck (CDU), müsse auch „entsprechend negativ sanktioniert“ werden können. Als Beispiele nannte de Maizière Bußgelder, eine Pflicht zur Wiederholung eines Integrationskurses oder auch eine Ausweisung. „Wir wollen also auch klarer machen, dass die willkommen sind, die sich gut integrieren, gerade Jugendliche, und dass wir nicht akzeptieren, dass sich andere nicht integrieren.“

Die Eltern könnten nur dann ein Aufenthaltsrecht erhalten, „wenn sie ausreichende Integrationsleistungen erbracht haben und den Lebensunterhalt ihrer Familie überwiegend sichern können“, hieß es in einer Mitteilung der Minister. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte: „Der Durchbruch der Innenministerkonferenz ist ein Hoffnungszeichen, dass eine moderne Integrationspolitik über die Parteigrenzen hinweg endlich Realität wird. Wir können schnell den Beschluss der Innenministerkonferenz gesetzgeberisch umsetzen, auch wenn wir über die konkrete Ausgestaltung noch ausführlich beraten müssen.“ Integration sei keine Bringschuld von Ausländern, sondern eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft.

Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, es sei richtig, ein solches Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche „nicht nur gnadenmäßig“ zu machen, sondern gesetzlich zu regeln. „Wir brauchen diese Jugendlichen in der Zukunft aufgrund der negativen demografischen Entwicklung“, betonte der niedersächsische Ressortchef Uwe Schünemann (CDU). Die Minister forderten zudem, die Maßnahmen zur Integration zu verstärken – etwa ausreichende Mittel für die Sprachförderung zur Verfügung zu stellen.

Die Grünen lobten den IMK-Beschluss als Schritt in die richtige Richtung. „Endlich ist auch bei den Innenministern angekommen, dass die bisherige Bleiberechtsregelung die Kinder für das Handeln ihrer Eltern in Haftung genommen hat“, teilte Grünen-Fraktionsvize Josef Winkler mit. Auch die FDP hält die Entscheidung für grundsätzlich richtig. „Allerdings muss die Frage beantwortet werden, ob dann durch das geltende Recht auf Familienzusammenführung eine Zuwanderung von weiteren Personen, die nicht in Deutschland integriert sind, ermöglicht wird“, sagte die FDP-Bildungsexpertin Sylvia Canel.

Die Fraktion Die Linke kritisierte den Beschluss dagegen als „unmenschlich“, wie die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke mitteilte. „Er läuft darauf hinaus, Familien auseinanderzubrechen.“ Er sei ein Signal für eine verschärfte Spaltung der Gesellschaft - „in Menschen, die als nützlich, und solche, die als unnütz angesehen werden“. Die Linken forderten ein bedingungsloses Bleiberecht für alle langjährig Geduldeten.

Der Präsident des Caritas-Verbandes, Peter Neher, sagte, die IMK-Entscheidung sichere zumindest einigen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien den Aufenthalt in Deutschland. „Eine Lösung im Interesse der rund 87.000 Menschen, die seit langer Zeit nur geduldet in Deutschland leben, sind sie nicht.“ Die Gesellschaft für bedrohte Völker mit Sitz in Göttingen kritisierte, es werde Flüchtlingspolitik nach dem Motto gemacht: „Die Jungen und Arbeitsfähigen nutzen und ihre alten, kranken und weniger flexiblen Eltern und Großeltern zurück in Verelendung, Perspektivlosigkeit oder totalitäre Herrschaft deportieren.“

Gegen den Willen der Justizministerin verständigten sich die Innenminister auf eine sechsmonatige Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Kriminalitätsbekämpfung und Terrorabwehr – und forderten sie auf, „zügig einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Mindestspeicherfrist vorzulegen“. Die Möglichkeit für ein „vorübergehendes, schnelles Einfrieren der Daten“ (Quick Freeze), wie vom Bundesdatenschutzbeauftragen Peter Schaar gefordert, lehnten sie ab.

„All die Dinge helfen uns überhaupt nicht“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Leutheusser-Schnarrenberger möchte zunächst abwarten, was mit der EU-Richtlinie geschieht, nach der die Daten gespeichert werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im März gekippt. Allein in Niedersachsen hätten deswegen mehr als 300 Fälle nicht so aufgeklärt werden können „wie es normalerweise möglich gewesen wäre“, sagte Schünemann. Dabei gehe es auch um Straftaten wie Mord, Totschlag oder Wohnungseinbrüche. Vahldieck sagte, es sei von immenser Bedeutung, dass etwa bei einem entlarvten Terroristen nachvollzogen werden kann, mit wem er zuvor kommuniziert hat. „Die Vorstellung, dass diese Daten inzwischen verloren gegangen sind, macht mir Angst.“

Rund zwei Wochen nach dem jüngsten Castor-Transport nach Gorleben forderten die Innenminister der Länder den Bund gemeinsam auf, sich an den Polizeikosten zu beteiligen. Seine Kollegen hätten seine Einschätzung einer Sonderbelastung vor allem Niedersachsens geteilt, sagte Schünemann. Sein Land habe für diese „nationale Aufgabe“ in den vergangenen Jahren rund 290 Millionen Euro ausgegeben, für den jüngsten Atom-Transport allein 27 bis 28 Millionen Euro.

Bundesinnenminister de Maizière (CDU) erklärte dagegen: „Ich habe den Ländern empfohlen, dem guten Beispiel des Bundes zu folgen. Der Bund hat seit 2001 auf seine Kosten gegenüber dem Land Niedersachsen verzichtet.“ Wenn das ab morgen 15 Bundesländer machten, „ist Herr Schünemann glücklich“, und eine besondere Regelung werde nicht mehr gebraucht. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte zudem, die Kraftwerksbetreiber stärker zur Kasse zu bitten.

Prostitution soll nach dem Willen der Innenminister künftig besser überwacht werden. Die Ressortchefs forderten daher den Bund auf, entsprechende gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen. So sollen Bordelle künftig nur noch mit behördlichen Genehmigungen eröffnet werden dürfen. Außerdem soll es eine Meldepflicht für Prostituierte geben.