Hamburg ist offenbar im Visier von Islamisten. FDP-Generalsekretär Lindner warnt aber vor Hysterie. Verwirrung um Air-Berlin-Flug aus Namibia.

Wiesbaden. Wegen der akuten Terrorwarnungen müssen sich die Bürger in Deutschland voraussichtlich längerfristig auf erhöhte Sicherheitsvorkehrungen einstellen. „Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben (...), werden bis auf weiteres fortgesetzt“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Rande der Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg. Bei dem Treffen vereinbarten Bund und Länder eine enge Zusammenarbeit zur Abwehr der Terrorgefahr.

De Maizière forderte die Bevölkerung auf, sich trotz der Hinweise auf einen möglichen Anschlag nicht von den Lebensgewohnheiten abbringen zu lassen. „Der internationale Terrorismus möchte in unserem Land Angst und Schrecken verbreiten. Das lassen wir nicht zu. Wir bleiben unserer freiheitlichen Lebensauffassung und dem Verhalten in Freiheit in einem freien Land treu.“

Bahnhöfe und Flughäfen werden kontrolliert

Nach intensiven Beratungen aller Innenminister sind sich laut de Maizière alle Ressortchefs einig: „Wir können die entstandene Situation nur durch gemeinsames Handeln bewältigen.“ Sämtliche Maßnahmen – seien sie verdeckt oder offen – seien abgestimmt und blieben bis auf weiteres bestehen. Der IMK-Vorsitzende, Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck (CDU), betonte, der internationale Terrorismus betreffe alle Bundesländer gleichermaßen. „Wir sind uns in dieser Frage völlig einig. Bund und Länder stehen zusammen und werden dieser Gefahr gemeinsam trotzen.“ In einer gemeinsamen Erklärung der Innenminister heißt es, „öffentliche Räume, bestimmte Örtlichkeiten und Ereignisse“ würden weiter je nach Lage kontrolliert. Dazu zählten nicht nur Bahnhöfe und Flughäfen, „sondern auch weitere Bereiche des öffentlichen Lebens“.

Anschlagsziel ist offenbar auch Hamburg

Im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum würden zudem täglich im Zusammenspiel aller Behörden Informationen ausgetauscht und analysiert. „Unsere internationalen Partner, die unentbehrlich sind im Kampf gegen den Terrorismus, sind hierbei eng eingebunden“, heißt es in der Erklärung. Die Sicherheitsbehörden verzeichneten bereits seit Frühjahr 2009 Hinweise darauf, dass die Terrororganisation al-Qaida und deren regionale Ableger in den USA und Europa – und damit auch in Deutschland – Anschläge planen.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) nannte vor allem Ballungszentren als mögliche Anschlagsziele. „Das ist, glaube ich, auf der Hand liegend, dass man sich um die Großstädte kümmern muss“, sagte Bruch im Südwestrundfunk. „Da gibt’s auch konkrete Hinweise, Berlin, München, Ruhrgebiet, Hamburg.“

Verdächtiges Paket vor Start von Air Berlin

Einen Tag nach der Warnung der Bundesregierung vor möglichen Anschlägen in Deutschland hat ein verdächtiges Gepäckstück auf dem Flughafen der namibischen Hauptstadt Windhuk für Aufsehen gesorgt. Das Gepäck wurde beim Verladen in einen Airbus von Air Berlin vor dem Start nach München isoliert, wie das Bundeskriminalamt (BKA) mitteilte. Beim Durchleuchten des Gepäckstücks in Windhuk wurden laut BKA Batterien sichtbar, die über Kabel mit einem Zünder und einer laufenden Uhr verbunden waren. Ob es sich um einen zündfähigen Sprengsatz handelt, blieb zunächst unklar. Ein BKA-Verbindungsbeamter wurde aus Südafrika nach Namibia entsandt. Die Passagiere des Fluges und das gesamte Gepäck wurden vor Abflug noch einmal kontrolliert. Der Flieger erreichte in der Nacht zum Donnerstag München.

Laut Air Berlin war allerdings unklar, ob das Gepäckstück überhaupt nach Deutschland transportiert werden sollte. Das in der Abfertigungshalle des Flughafens Windhuk entdeckte Paket sei nicht an einen bestimmten Zielort adressiert gewesen, sagte ein Air-Berlin-Sprecherin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Rande der Innenministerkonferenz, es spreche „viel dafür, dass das Gepäckstück in einer Maschine transportiert werden sollte, die nach München fliegen sollte“. „Aber alle Einzelheiten werden wir erst in den nächsten Tagen erfahren.“ An dem Paket soll eine Aufschrift mit dem Wort „Test“ gehangen haben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Zwischenfall am Bundeskanzleramt

Für Aufregung sorgte ein Zwischenfall in Berlin: Ein betrunkener Autofahrer hat am Mittwochabend einen Betonpoller am Bundeskanzleramt gerammt. Der Unfallfahrer erlitt leichte Verletzungen am Rücken und wurde in ein Krankenhaus gebracht, wie die Berliner Polizei mitteilte. Der 62-Jährige sei an der Ecke Heinrich-von-Gagern-Straße/Paul-Löbe-Allee geradeaus auf den Gehweg in Richtung des Bundeskanzleramtes gefahren. Die dort aufgestellten Betonpoller hätten die „Irrfahrt“ gestoppt. Bei der Polizei gab der Fahrer an, die vergangenen Tage und Nächte im Auto verbracht und bis zum Nachmittag Alkohol getrunken zu haben.

Die jüngsten Warnungen vor islamistischen Terrorangriffen in sind auch Thema bei der Deutschen Fußball Liga (DFL). Vor dem anstehenden Bundesliga-Wochenende mit Millionen von Zuschauern in den Stadien steht die DFL mit dem Bundesinnenministerium in Berlin in Kontakt, wie ein Liga-Sprecher sagte . Er betonte: „Wir haben gebeten, uns über die aktuelle Gefährdungslage mit Blick auf die Bundesliga auf dem Laufenden zu halten.“

Streitfall Vorratsdatenspeicherung

Nach den Terrorwarnungen forderte der Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) im „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Wiederaufnahme der Vorratsdatenspeicherung. Es sei „völlig undenkbar“, dass die Menschen ohne Vorratsdatenspeicherung geschützt werden könnten. De Maizière sagte dazu beim Treffen der Innenminister, die Vorratsdatenspeicherung stehe seit längerem auf der Tagesordnung der Innenressortchefs. Es sei „jetzt nicht die Stunde, auf dem Rücken dieses Themas rechtspolitische Auseinandersetzungen zu verschärfen oder abzumildern“. FDP-Generalsekretär Christian Lindner bezeichnete einen „Überbietungswettbewerb für neue Sicherheitsgesetze“ als Reaktion auf die Bedrohungslage als unangebracht. „Was wir brauchen sind personell gut ausgestattete, gut koordinierte Sicherheitsbehörden“, sagte Lindner dem Hamburger Abendblatt (Freitagausgabe).

Auch der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz wandte sich gegen die Vorratsdatenspeicherung. „Wir lehnen die anlasslose Speicherung sämtlicher Telefon-, Handy- und Internetdaten auf Vorrat ab“, erklärte er. „Damit werden 82 Millionen Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im März gekippt. Seither dürfen Telefon- und Internetdaten nicht mehr ohne Grund sechs Monate gespeichert werden.