Die ehemalige RAF-Terroristin steht vor Gericht. Welche Rolle sie im Mord an Generalstaatsanwalt Buback gespielt hat, bleibt unklar.

Stuttgart. Prozess gegen Verena Becker: In der Klärung um den Mord der "Roten Armee Fraktion" (RAF) 1977 an Generalbundesanwalt Siegfried Buback kommt das Oberlandsgericht Stuttgart nicht weiter, die Nebenklage präsentiert sogar noch eine neue Theorie. Demnach könnten mehrere Terroristen auf zwei Motorrädern an dem Attentat beteiligt gewesen sein.

Bislang war die Frage immer: Wer saß auf dem Motorrad? Denn wenigstens das galt als sicher im Prozess um dem Buback-Mord: Zwei Mitglieder des Mordkommandos lauerten der Dienstlimousine des Generalbundesanwalts auf einem Motorrad auf; der Terrorist auf dem Soziussitz feuerte die tödlichen Schüsse in den Wagen, als dieser an einer Ampel hielt.

Umstritten bis völlig unklar war nur die Besetzung des Tatmotorrads: Michael Buback, der Sohn des Opfers, ist davon überzeugt, dass Verena Becker selbst auf dem Motorrad saß und Buback und seine Begleiter erschoss. Die Anklage hingegen lautet zwar auf Mittäterschaft Beckers, jedoch nur aufgrund ihrer Rolle bei der Planung und Organisation des Attentats.

Die bisherigen Zeugenvernehmungen im Prozess haben allerdings keine belastbaren Anhaltspunkte für Bubacks These gegeben, dass auf dem Soziussitz des Motorrads eine Frau saß. Deutlich wurde vielmehr, dass die meisten Zeugen sich 33 Jahre nach der Tat nur noch sehr lückenhaft erinnern. Vor allem in dem für Bubacks These entscheidenden Punkt: "Ob das Männlein oder Weiblein waren, das hat man nicht gesehen“, sagte ein Zeuge in seiner Vernehmung am Donnerstag. Auffällig ist jedoch: Während die Zeugen, die unmittelbar am Tatort waren, vorwiegend Motorradfahrer in Motorradkleidung und mit Integralhelmen beschrieben, wurden am Donnerstag vor allem Zeugen vernommen, die zwei Motorradfahrer auf einem Parkplatz in der Nähe beobachtet hatten. Und sie berichteten überwiegen von Motorradfahrern in dunklen Parkas, die "flache, altmodische" Helme aufhatten.

Sollten also vier Täter auf zwei Motorrädern beteiligt gewesen sein? Diese Vermutung äußerte jedenfalls Ulrich Endres, der Anwalt von Nebenkläger Michael Buback. Weitere Anhaltspunkte hierfür nannte er jedoch nicht. Beckers Verteidiger gaben sich erwartungsgemäß unbeeindruckt: "Selbst wenn es ein zweites Motorrad gegeben hätte, ändert das nichts daran, dass wir nicht wissen, wer darauf saß", sagte Verteidiger Hans Wolfgang Euler in einer Verhandlungspause.

Die Verteidigung will nun mit zwei neuen Beweisanträgen die Theorie der "schützenden Hand" widerlegen. Demnach soll Becker bereits vor dem Attentat mit Verfassungsschützern kooperiert haben; deshalb sei sie bei den Ermittlungen geschützt worden. Nun beantragten die Verteidiger, den ehemaligen Leiter der Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim als Zeugen zu hören. Er soll bestätigen, dass Becker nach ihrer Inhaftierung unter anderem Akten über das Ermittlungsverfahren gegen sie wegen des Buback-Mordes anforderte. Dies, so die Verteidigung, hätte sie kaum getan, wenn sie sich auf eine "schützende Hand" verlassen hätte.

Außerdem soll ein Hamburger Verfassungsschützer geladen werden. Er soll angebliche Aussagen verstorbener Verfassungsschützer widerlegen, wonach Becker schon vor 1977 mit Geheimdiensten zusammenarbeitet habe.