Schwarz-Gelb hat die Verlängerung der Laufzeiten zwar beschlossen - doch selbst in den eigenen Reihen sind offenbar viele damit unzufrieden.

Berlin. Die schwarz-gelbe Koalition hat mit ihrer Mehrheit im Bundestag zwar längere Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke beschlossen - der Streit ist jedoch noch lange nicht vorbei. Die Opposition und verschiedene Bundesländer kündigten bereits Verfassungsklagen an, um die Abkehr vom Atomausstieg zu verhindern. Widerstand kommt zudem von diversen Stadtwerken. Umweltgruppen demonstrierten im Regierungsviertel. Bei der Abstimmung gab es 24 Abweichler aus den Reihen der Koalition .

Die Verlängerung der Laufzeiten der 17 deutschen Reaktoren um durchschnittlich zwölf Jahre ist Kernpunkt des Energiekonzepts der schwarz-gelben Koalition. Von den zusätzlichen Gewinnen der vier Betreiber will sie bis zu 30 Milliarden Euro abschöpfen und in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken. Die Betriebszeit der vor 1980 gebauten sieben Anlagen wird um acht Jahre verlängert und die der zehn übrigen Akw um 14 Jahre.

Die Opposition im Bundestag, die in der rot-grünen Regierung vor zehn Jahren den Atomausstieg bis 2021 durchsetzte, kritisierte die Pläne scharf. Sie warnt vor den Gefahren der Technik und davor, dass der billige Atomstrom den Ausbau erneuerbarer Energien verzögert.

Die früheren Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) zeigten sich sicher, dass sie den Beschluss aushebeln können. „Wir werden dieses Gesetz beim Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen“, sagte Gabriel. Grünen-Fraktionschef Trittin kritisierte, die Koalition habe Minderheitsrechte ignoriert und wolle auch den Bundesrat nicht beteiligen. „Sie brechen die Verfassung und sie spalten die Gesellschaft“, sagte Trittin.

Die SPD-geführten Länder Berlin, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kündigten umgehend eigene Verfassungsklagen an. Wegen Missachtung der Länderinteressen sei ein Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht unausweichlich geworden, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) äußerten sich ähnlich. Auch Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) nannte die Laufzeitverlängerung eine „energiepolitische Fehlentscheidung“.

Widerstand kommt darüber hinaus von etlichen Kommunen. Vertreter von Stadtwerken kündigten eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission an. Wie der Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, Johannes van Bergen, mitteilte, wollten sich an der Beschwerde „mehr als 100 Stadtwerke beteiligen“. Das Energiekonzept bedeute für die Regionalversorger eine schwere Wettbewerbsverzerrung. Mit einer gemeinsamen Anzeige in fünf großen Tageszeitungen verliehen die Stadtwerke ihrem Anliegen Ausdruck.

Auch auf der Straße protestierten Atomkraftgegner. In Berlin umringten rund 2.000 Aktivisten den Reichstag mit einer Menschenkette und verschafften sich mit Pfeifkonzerten und Sprechchören Gehör. Organisiert hatten den Protest der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Kampagnennetzwerk Campact und die NaturFreunde Deutschlands. An der Außenfassade der CDU-Zentrale in Berlin hängten Greenpeace -Kletterer ein zehn mal 7,5 Meter großes Fotobanner auf. Unter der Überschrift „CDU – Politik für Atomkonzerne“ prosten sich darauf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann mit Schnapsgläsern zu.

Am Abend wurde bekannt, dass im größten deutschen Atomkraftwerk im schwäbischen Gundremmingen ein Reaktorblock wegen eines vermutlich defekten Brennelements abgeschaltet werden muss. Die Betreiber des Atommeilers wollen mit der Abschaltung aber noch einige Tage warten, wie die Kraftwerkssprecherin Simone Rusch am Donnerstag sagte. Schwäbische Atomkraftgegner kritisierten dies als unverantwortlich. Am Sonntag soll der Block B nach Angaben des Werks vom Netz genommen werden. Aus veränderten Messwerten im Reaktorkühlkreislauf hätten sich Hinweise auf einen Brennelementschaden ergeben. Eine Gefährdung des Personals oder der Umgebung sei allerdings nicht zu befürchten, hieß es. Derzeit ist bereits der zweite Kraftwerksblock, der Block C, wegen einer routinemäßigen Revision vom Netz genommen.