Zentralrat kritisiert Vorhaben, Zwangsheiraten als Straftatbestand zu definieren. Schröder will auch Scheinehen verhindern.

Berlin. Mit ihren schärferen Regeln gegen Zwangsheiraten und Integrationsverweigerer stößt die Bundesregierung auf Protest bei türkischen und muslimischen Verbänden. Nachdem das Kabinett einen Gesetzentwurf gebilligt hatte, der auch eine bessere Handhabe gegen Scheinehen vorsieht, kritisierten der Zentralrat der Muslime und die Türkische Gemeinde in Deutschland die Koalition.

Als Hauptproblem sehen die Kritiker die Schwierigkeit, eine Zwangsehe zu beweisen. Eine solche Ehe ist zwar bereits strafbar, in Zukunft wird sie jedoch als eigener Straftatbestand definiert . Die juristische Verfolgung soll damit leichter werden. Am Strafmaß ändert sich nichts. Anstifter von Zwangsehen sollen wie bisher mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Von einem Versuch der Bundesregierung, Handlungsfähigkeit zu beweisen, spricht die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime, Nurhan Soykan. "Die bestehenden Regelungen und auch unser Strafrecht reichen vollkommen aus, um Zwangsehen zu ahnden. Wir haben den Tatbestand der Nötigung und der Vergewaltigung", sagte Soykan dem Abendblatt. "Ich frage mich, wie der Straftatbestand der Zwangsehe aussehen soll. Man kann nicht mehr nachvollziehen, wie die Umstände bei der Eheschließung waren", kritisierte sie den Gesetzentwurf der Koalition. Da Zwangsehen vor allem bei Muslimen vorkommen, zeigte sich der Zentralrat irritiert, im Vorwege der Gesetzesänderung nicht einbezogen worden zu sein. "Es wäre sinnvoll gewesen, bei der Bekämpfung von Zwangsehen sich an einen Tisch mit den Muslimen zu setzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen", sagte die Generalsekretärin. Soykan betonte: "So hätte man viel eher an die betroffenen Familien herankommen können." Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, erklärte, die Bundesregierung habe immer noch nicht erkannt, dass Pauschalisierungen und Sanktionen in der Eingliederungspolitik kontraproduktiv seien.

Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Josef Winkler, sagte, offenbar stehe die Bundesregierung in der Integrationspolitik dermaßen unter Druck, dass sie nun einen "von viel Symbolpolitik geprägten Gesetzentwurf" vorgelegt habe. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) verteidigte die Beschlüsse und bezeichnete die Zwangsverheiratung als eklatante Menschenrechtsverletzung. Es sei richtig und wichtig, hier endlich einen eigenen Straftatbestand zu haben. "Es ist schon alleine ein Unterschied, ob die Tochter ihrem Vater sagen kann, 'Zwangsheirat ist verboten und du machst dich strafbar', oder ob sie wie bisher auf eine 'qualifizierte Nötigung' verweisen muss." Zwangsheirat sei auch in Deutschland ein ernst zu nehmendes Problem, betonte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Mit einem eigenen Straftatbestand trete die Regierung der "Fehlvorstellung entgegen, es handele sich um eine zumindest tolerable Tradition aus früheren Zeiten oder anderen Kulturen." Wie viele Fälle von Zwangsheirat es gibt, konnte sein Ministerium gestern jedoch nicht sagen. "Wir bewegen uns da in einem sehr großen Dunkelfeld", sagte ein Sprecher.

Die Bundesregierung beschloss gestern zudem, Opfern erzwungener Ehen ein wirksames Rückkehrrecht nach Deutschland zu ermöglichen . Bisher erlosch es nach sechs Monaten, künftig soll es zehn Jahre lang gelten und nicht mehr daran gebunden sein, ob die Frau nach der Trennung selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen kann. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte im Deutschlandfunk, dies sei die wichtigste Neuerung. Regierungssprecher Steffen Seibert erläuterte, damit werde jungen Frauen geholfen, die in Deutschland aufwachsen und dann beispielsweise während der Sommerferien im Heimatland ihrer Eltern verheiratet werden.

Schärfer will die Regierung auch gegen Scheinehen vorgehen, die nur geschlossen werden, um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erhalten. Der ausländische Ehepartner soll erst nach drei statt bisher zwei Jahren einen eigenen Aufenthaltstitel bekommen. In Härtefällen sollen Ausnahmen gemacht werden, etwa bei häuslicher Gewalt. Dann gilt die Drei-Jahre-Frist nicht.

Weiter will die Regierung die Kontrolle der Integrationsverpflichtungen verbessern. Dazu sollen sich Kursusanbieter und Behörden besser über integrationsunwillige Ausländer gegenseitig informieren. Vor der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis muss künftig geprüft werden, ob der Antragsteller seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskursus nachgekommen ist. Bei einer Verweigerung kann die Verlängerung abgelehnt werden. Es können auch Hartz-IV-Leistungen gekürzt werden. Die Sanktionen würden nicht verschärft, sondern konsequenter angewendet, erläuterte Leutheusser-Schnarrenberger.