Eine kritische Bewegung verlangt Schmerzensgeld von katholischen Bischöfen. Wim Wenders dreht einen Spot zur Kampagne gegen Missbrauch.

Berlin. In der Debatte über sexuelle Gewalt gegen Kinder werden die Rufe nach Entschädigungen immer lauter. Die Regierungsbeauftragte für die massenhaft ans Licht gekommenen Missbrauchsfälle, Christine Bergmann, forderte: Institutionen wie Heime und Kirchen sollten Opfer von sich aus mit Geld entschädigen. Ein neuer Fonds könne dafür die Lösung sein.

Ausdrücklich begrüßte die frühere Familienministerin Überlegungen der Jesuiten, Betroffenen je 5000 Euro zu zahlen. Die kirchenkritische Bewegung „Wir sind Kirche“ forderte von den katholischen Bischöfen konkrete Zusagen für ein Schmerzensgeld . Bergmann forderte außerdem längere Verjährungsfristen für Missbrauchsfälle. Bisher verfallen Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld meist schon nach drei Jahren.

In den vergangenen fünf Monaten haben sich rund 2500 Menschen überwiegend anonym an Bergmann und ihr Team aus 65 Experten gewandt – davon 800 mit einem Brief und 1700 am Telefon. Darunter waren auch elf Täter, denen zu einer Therapie und zum Gang zur Polizei geraten wurde. Von den Opfern hatten sich 60 Prozent noch nie jemandem anvertraut. Das Durchschnittsalter betrug 51 Jahre. Der Großteil sprach also erst Jahrzehnte später über die Tat.

Bergmann startete zudem eine bundesweite Kampagne, die Betroffene ermutigen soll, über ihr Leid zu sprechen. Das Motto lautet: „Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter.“ Die SPD-Politikerin sagte, viele Anrufer hätten es als hilfreich und befreiend empfunden, über die Misshandlungen zu sprechen – allzu oft zum allerersten Mal. Daneben sollen die Plakate, Anzeigen und Spots die Bevölkerung für das Thema Missbrauch sensibilisieren und auf die Telefonberatung (0800-2255 530) sowie das Internetangebot www.sprechen-hilft.de aufmerksam machen.

Den Fernsehspot zur Kampagne drehte Wim Wenders. Der Regisseur sagte, die Deutschen gehörten leider zu den Völkern, in denen das Verdrängen Tradition habe. Schweigen verlängere aber das Leiden.

Auch die katholischen deutschen Bischöfe beraten derzeit in Fulda über mögliche Zahlungen an Missbrauchsopfer. Konkrete Summen wollte die Bischofskonferenz bislang allerdings nicht nennen. Der Sprecher von „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, sagte dazu, die bisherige Selbstkritik könne nur ein Anfang sein auf dem Weg zu einem Ausgleich. Geldzahlungen an die Opfer dürften jedoch nicht aus Kirchensteuergeldern bestritten werden, sondern müssten aus den einzelnen Etats der Bischöfe oder Stiftungen kommen.

Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, sagte im Bayerischen Rundfunk, Missbrauch in der katholischen Kirche könne verhindert werden, wenn man bei der Kandidatensuche für das Priesteramt Psychologen einbezieht, offener Fragen der Sexualität bespricht und Führungszeugnisse verlangt.

Die Regierungsbeauftragte sitzt auch mit am Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch, der sich erstmals Ende April unter Leitung der drei Bundesministerinnen Kristina Schröder (CDU), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Annette Schavan (CDU) getroffen hatte. Das Gremium mit Bundes- und Landespolitikern, Vertreter der Kirchen, der Schulen, der Ärzteschaft und zahlreichen Verbänden soll über Hilfen für die Opfer sexueller Gewalt, Prävention und Fragen des Strafrechts beraten. Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr in einen Zwischenbericht münden.