Der Verteidigungsminister präsentiert seine Vision einer geschrumpften Bundeswehr. In den eigenen Reihen regt sich Widerstand.

Berlin. Nach monatelangen Planungen hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nun auf einer Informationsrunde mit Politikern der schwarz-gelben Koalition enthüllt, wie sich sein Ministerium die Zukunft der Bundeswehr vorstellt. Demnach wird die Bundeswehr von derzeit etwa 250.000 Soldaten um etwa ein Drittel verkleinert und die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Bundeswehr solle "kleiner und besser" werden, sagte Guttenberg.

Dass es eine drastische Verkleinerung der Streitkräfte geben soll und die Wehrpflicht auf der Kippe stand, war schon längere Zeit bekannt. Nun aber hat sich der Minister auf eines von insgesamt fünf Szenarien festgelegt. Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verteidigung der Unionsfraktion, sagte dem Hamburger Abendblatt, der Minister habe das Modell Nummer vier favorisiert: "Dieses Modell beinhaltet 156.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 7500 Freiwillige", sagte Otte. Zudem solle es einen Spielraum geben, um den militärischen Vorgaben entsprechen zu können, die in den kommenden Wochen von Fachpolitikern noch erarbeitet würden.

Otte fügte hinzu: "Dieses Modell bedeutet de facto eine Aussetzung der Wehrpflicht." Die 7500 freiwilligen Grundwehrdienstleistenden sollten zwischen zwölf und 23 Monate lang dienen, um für die künftigen Einsätze der Bundeswehr eine angemessene Ausbildung erhalten zu können. Vonseiten der Union habe Guttenberg Zustimmung erfahren, berichtete der CDU-Politiker: "In der Runde wurde das Modell Nummer vier als Grundlage der künftigen Diskussionen angesehen."

Ganz unumstritten ist der Entwurf offenbar aber nicht. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU) betonte, er sei von der Aussetzung der Wehrpflicht nicht überzeugt. Im Vordergrund der Reform stehe für ihn aber der künftige Umfang der Truppe, und da halte er allenfalls eine Kürzung auf "200.000 minus x" für vertretbar. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister sprach sich gegen schnelle Vorentscheidungen über die Wehrpflicht aus. "Die Diskussion ist noch nicht beendet." Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bremst in der Debatte: "Wir werden jetzt eine breite und offene Diskussion auch mit der Partei starten, welche Vorschläge vorzugswürdig und unter sicherheitspolitischen Aspekten tragfähig sind." Dabei werde es keinen Zeitdruck geben.

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Auf dem Parteitag der CDU wird sich auch zeigen, ob Guttenberg mit seinen Plänen die vollständige Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) genießen wird. Merkel will erst nach den Parteitagen von CDU und CSU im Herbst eine eigene Position einnehmen. "Die Bundeskanzlerin kann sich in dieser Frage vor einer breiten Diskussion in den Parteien nicht festlegen", sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie selbst erklärte am Nachmittag in einem Video-Interview der Madsack-Gruppe, sie werde die Vorschläge "konstruktiv begleiten". Verteidigungsminister Guttenberg betonte, dass die Wehrpflicht nicht gänzlich verschwinden soll. Es sei "wichtig, dass wir die Wehrpflicht im Grundgesetz halten". Der Zivildienst soll nach dem Willen von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) auf einen freiwilligen Dienst mit staatlicher Förderung umgestellt werden.

Die FDP-Politikerin Elke Hoff nannte Guttenbergs Pläne "konstruktiv". Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen, der Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, lobte gegenüber dem Abendblatt die Pläne Guttenbergs. Es gebe aber offenbar noch Gesprächsbedarf beim Koalitionspartner. "Wir geben zu Guttenberg also dezente Rückendeckung, haben aber Verständnis für die Bauchschmerzen, die die Kollegen von CDU und CSU bei diesem Thema haben, und haben das in der Sitzung auch zum Ausdruck gebracht."

Die SPD, die ebenfalls für einen freiwilligen Wehrdienst ist, warf Guttenberg vor, die Bundeswehr "kaputtzusparen". Die Linke bekräftigte ihre Forderung, die Wehrpflicht ersatzlos zu streichen. Kritik kam vom Bundeswehrverband. Dessen Vorsitzender Ulrich Kirsch kritisierte, es seien mindestens 15.000 freiwillig dienende Wehrpflichtige nötig.