Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt die Bundeswehrreform von Karl-Theodor zu Guttenberg. Dessen Pläne ließen neues Denken zu.

Berlin. In der Debatte über die Bundeswehrreform hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) positiv über eine Aussetzung der Wehrpflicht geäußert. „Die Parteien werden darüber diskutieren, ich werde dem jetzt nicht vorgreifen, aber bin durchaus mit Sympathie ausgestattet, was die Überlegungen des Verteidigungsministers anbelangt“, sagte Merkel am Sonntag dazu in der ARD. Ein Pflichtjahr anstelle von Wehr- und Zivildienst lehnte sie wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Freiheit des Einzelnen ab. „Ich bin gegenüber einem Pflichtjahr skeptisch.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Die CDU-Chefin wollte sich noch nicht auf ein Modell festlegen. „Ich finde es richtig und gut und unterstütze Karl-Theodor zu Guttenberg auch darin, dass er neues Denken zulässt.“ Nun müsse geprüft werden:„Was bedeutet das für die Bündnisfähigkeit, was bedeutet das für den Zivildienst natürlich auch, den Ersatzdienst?“ Zentral sei auch:„Wie können wir auch weiter die Verankerung der Bundeswehr in der Bevölkerung garantieren?“ Merkel sprach sich dafür aus, „dass wir offensiv für freiheitliche soziale Dienste und für den Dienst in der Bundeswehr werben“. Eine neue Freiwilligenkultur sei das Ziel. Mehrere Unionspolitiker wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wollen an der Wehrpflicht festhalten. Niedersachsens Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte eine Heimatschutzpflicht vorgeschlagen.

Unterdessen hat zu Guttenberg versucht, Städte und Gemeinden mit Truppenstandorten zu beruhigen. „Die Entscheidungen über die Standorte fallen nicht vor Mitte nächsten Jahres. Aber ich kann heute schon sagen: Es wird keinen Kahlschlag geben“, sagte der Minister der „Bild am Sonntag“. Die Angst vor Standortschließungen steht unausgesprochen hinter den Forderungen zahlreicher Landesminister, die Wehrpflicht nicht auszusetzen. So macht sich der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) laut „Welt“ für die Weiterentwicklung der Wehrpflicht zu einer „Heimatschutzpflicht“ stark. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte der „Mainzer Allgemeinen Zeitung“, er fürchte, dass die Reform nur „unter dem Gesichtspunkt Sparen betrieben“ werde.

Auch der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) warnte vor Streichungen. Die Bundeswehr müsse in der Fläche sichtbar vertreten bleiben, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ und riet, Standorte nicht zu schließen, sondern zu verkleinern. Guttenberg betonte, es gebe Einrichtungen, die für die Attraktivität der Bundeswehr in der Zukunft von großer Bedeutung seien. Als Beispiele nannte er Krankenhäuser und Universitäten.

Im Zuge der Bundeswehr-Reform sollen angehende Soldaten zunächst ein halbes Jahr lang unter Vorbehalt bei der Truppe anheuern können, wie der Minister der „Bild am Sonntag" sagte. „Wir können uns eine Probezeit beim Bund vorstellen. Nach sechs Monaten kann dann jeder sagen, Soldatsein ist nichts für mich. Und umgekehrt kann die Bundeswehr entscheiden: Dieser junge Mann passt nicht zu uns.“ Auf Reservisten will Guttenberg nicht verzichten. „Es wird weiter Reserveübungen geben“, sagte er. Auch in Zukunft werde die Bundeswehr genügend Soldaten für Schutz und Hilfe in der Heimat zur Verfügung stellen können. „Hier sehe ich auch eine stärkere Aufgabe der Reserve“.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte die Bundeswehr unterdessen offensiv zur Verteidigung deutscher Wirtschaftsinteressen im Ausland auf. Für Deutschland „wäre es eine Katastrophe, wenn die Handelswege, insbesondere nach Südostasien, dauerhaft eingeschränkt oder bedroht wären“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann dem „Focus“. Er forderte außerdem eine Halbierung des Personals im Verteidigungsministerium und eine Verbesserung der Ausrüstungsbestellungen.

DGB-Chef Michael Sommer kritisierte im „Hamburger Abendblatt“ (Montagausgabe) die von Guttenberg geplante Aussetzung der Wehrpflicht scharf. Es sei mehr als fragwürdig, dass eine reine Berufsarmee für die Umsetzung der Notstandsgesetze zuständig sein solle. Die Gesetze sehen im Krisenfall eine Einschränkung von Grundrechten und den Einsatz der Bundeswehr im Innern vor.