Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bleibt Regierungschefin im Saarland. Auch Piraten in Feierlaune. Der SPD droht eine Führungsdebatte.

Saarbrücken. Gut möglich, hatte Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vor der Wahl gesagt, dass sie bald in die Geschichte des Saarlandes eingehen werde: als Ministerpräsidentin mit dem längsten Namen und der kürzesten Amtszeit. Mit diesem Bonmot signalisierte die 49-Jährige, dass sie es mit Fassung und Humor zu tragen beabsichtigte, sollten die Christdemokraten bei der von ihr verursachten Neuwahl des Landtags nur als zweitstärkste Kraft über die Ziellinie gehen. Die Welt würde nicht untergehen, diese Botschaft sendete Kramp-Karrenbauer an die Wähler und wohl vor allem an die eigene Parteiführung. Damit hatte AKK, wie Kramp-Karrenbauer oft genannt wird, eine mögliche Niederlage bereits zuvor elegant abgefedert. Und für den Fall, dass sie das Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD doch gewinnen würde, stünde sie umso mehr als strahlende Heldin der Saar-CDU da.

+++Große Koalition als Chance+++

+++Umfrage: Jeder Vierte kann sich vorstellen, Piratenpartei zu wählen+++

Das Kalkül ist voll aufgegangen. Unerwartet deutlich hat die CDU die Sozialdemokraten auf den letzten Metern abgehängt. Die Position von Kramp-Karrenbauer in der eigenen Partei, auch auf Bundesebene, dürfte nachhaltig gestärkt sein. Die dreifache Mutter bleibt Ministerpräsidentin des Saarlandes - vorausgesetzt, die Große Koalition kommt überhaupt zustande. Bei dem unbändigen Jubel, der nach den ersten Hochrechnungen bei der Wahlparty der CDU im Saarbrücker E-Werk ausbrach, stand nämlich umgehend eine Sorge im Raum: Hält die SPD Wort? Geht sie auch als Juniorpartner in eine Große Koalition? Oder erliegt sie doch den Verlockungen von Oskar Lafontaines Linkspartei? Doch schon früh am Abend kamen die Signale, dass auch die Sozialdemokraten in eine Große Koalition wollen.

Weil der Maas-Wahlkampf auf "alles oder nichts" getrimmt war, droht bei den Sozialdemokraten nun aber Frust und Verdruss, weil es doch wieder nur für Rang zwei reichte. Zwar ist anders als 2009 eine Regierungsbildung ohne die Sozialdemokraten nicht mehr möglich. Die Schmach, kurz vor Erreichen der Regierungsbank noch ausgebremst zu werden, muss die Partei dieses Mal nicht erleiden. Doch Maas, der einst als Ziehsohn des damaligen SPD-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine in die politische Karriere gestartet war, könnte das schwache Abschneiden trotzdem die Zukunft kosten.

+++Warmlaufen für den Mai+++

Noch am Morgen der Wahl hatte sich Maas siegessicher gegeben. Bei der Stimmenabgabe mit seiner Frau hatte er von Wechselstimmung im Land gesprochen. "Die CDU ist ausmobilisiert", hatte er analysiert. Bei der Wählerschaft der übrigen Parteien gebe es viele, die noch unentschlossen seien. "Alles Potenzial, das jetzt noch da ist, ist Potenzial für die SPD." Er lag falsch, wie sich zeigte. Die Unentschiedenen wählten nicht alle SPD, sondern offenbar vor allem die Piraten. Bitter für Maas: Ganz kurz vor dem Ziel hat ihm eine frisch gegründete Partei, die erst zwei Wochen vor der Landtagswahl ein Wahlprogramm erarbeitet hatte, die notwendigen paar Prozentpunkte abgenommen.

Die Unbedingtheit, mit der Maas Richtung Staatskanzlei marschierte, mag am Frust gelegen haben, der zwangsläufig entsteht, wenn man zwölf Jahre auf der Oppositionsbank stets glaubt, dass man alles viel besser könne als die Regierung. Es hat sicher auch damit zu tun, dass sich der Hobbytriathlet ungern die Lunge aus dem Leib rennt, wenn es sich am Ende nicht lohnt. Zweimal hat Maas das nun schon bei Landtagswahlen erlebt, das hat ihn geprägt. Vor allem aber war der Sieg für die SPD seit den 90er-Jahren nicht mehr in so greifbarer Nähe. Die Stimmung unter den Wahlkämpfern war euphorisch, die Sozialdemokraten waren sich sicher, ihren Mann an die Spitze der Regierung zu bringen, als Belohnung dafür, die Kröte Große Koalition schlucken zu müssen. Seit Jahrzehnten hatte die SPD nur Verachtung für die Christdemokraten übrig. Wenn sie schon mit solch einem Partner regieren sollte, dann wollte sie wenigstens Ministerpräsidentenmacher-Partei sein.

Viele an der Basis hatten Heiko Maas vorgeworfen, die SPD nach der Wahl 2009 mit seiner voreiligen Ablehnung einer Großen Koalition ins Aus gespielt zu haben. Jetzt heißt es hier und da, Maas begehe den Fehler erneut: Der Spitzenkandidat hat ein Bündnis mit der Linkspartei kategorisch ausgeschlossen. Damit hat er womöglich das Ministerpräsidentenamt verspielt. Denn rein rechnerisch, das hatten schon die Prognosen vorhergesagt, könnte es auch für Rot-Rot reichen. Fast genüsslich trieb Lafontaine, bisher Fraktionschef der Linken im Land, die SPD vor sich her. Er stichelte, Maas gerate wohl in Erklärungsnot, wenn er trotz rot-roter Mehrheit auf den Einzug in die Staatskanzlei verzichte und den Juniorpartner der CDU gebe.

Und es wird gemunkelt, Lafontaine habe heimlich Gespräche mit linksgerichteten Genossen geführt, die eine Palastrevolte vorbereiten könnten. Maas könnten Probleme mit der eigenen Truppe drohen, wenn nicht sofort, dann sicher auf längere Sicht. Doch selbst nach Bildung einer Großen Koalition könnte der 45-Jährige mittelfristig von der Parteispitze verdrängt werden. Schon jetzt wird der Jurist Maas als der "Prinz Charles des Saarlandes" tituliert: ewig Zweiter, ewig Thronfolger. Die Frage könnte laut werden, ob er noch die richtige Figur an der Spitze der Sozialdemokraten ist.

Insgesamt war die Wahl an der Saar eine Kuriosität. Sie war spannend, weil die Saarländer quasi direkt ihren Ministerpräsidenten wählen konnten. Der Wahlkampf war der kürzeste in der Geschichte des Landes. Vor 79 Tagen hatte die Regierungschefin das Jamaika-Bündnis beendet. Allerdings war diese zweite Landtagswahl binnen zweieinhalb Jahren auch nur eine Formalität, schließlich war vorher klar, dass Christ- und Sozialdemokraten zusammengehen würden. Nicht verwunderlich also, dass sich die Wahlbeteiligung mit nur 61,6 Prozent in Grenzen hielt.