Am Montag soll der Bundestag über die neuen Hilfen für Griechenland entscheiden. Zweifel an den Maßnahmen gibt es in allen Parteien.

Brüssel/Berlin. Viel Schlaf hat Wolfgang Schäuble (CDU) nicht bekommen. Morgens um Viertel nach fünf hatte der Finanzminister in Brüssel zum Gespräch geladen, um die Ergebnisse einer langen Verhandlungsnacht zu verkünden. Anschließend stand ein Radiointerview an, und schon um neun Uhr eine Telefonkonferenz mit den Haushalts- und Europapolitikern der Bundestagsfraktionen. Er habe die Kollegen unterrichtet und auch ihre Fragen beantwortet, "so weit es heute früh beim derzeitigen Kenntnisstand Fragen gab", sagt der Finanzminister.

Mittlerweile ist es Dienstagmittag, es war Zeit, das Hemd zu wechseln. Ein weißes Oberhemd lässt jeden müden Mann wach aussehen. Schäuble sitzt wieder vor Journalisten. Die Rettung Griechenlands ist für ihn nicht nur ein Ringen mit den europäischen Kollegen, sondern immer auch ein Werben beim heimischen Publikum. Die Euro-Finanzminister haben den Weg frei gemacht für ein zweites Hilfspaket für das hoch verschuldete Land. Die Pleite der hoch verschuldeten Griechen scheint zunächst abgewendet. Wieder einmal.

+++ Was bringt das zweite Hilfspaket für Griechenland? +++

Nach 13 Stunden war in der Nacht der letzte Knoten aufgeknüpft, die Einigung mit dem Internationalen Bankenverband (IIF) über den Schuldenverzicht geschafft. Jede Partei musste ein bisschen mehr geben.

Das Ergebnis sei "gut zu verantworten", sagte Schäuble, zu dieser Einschätzung müsse man "nach sorgfältiger Prüfung" kommen. "Es ist keine einfache Entscheidung." Es bestehe aber eine "überwiegende Chance", dass Griechenland mit dem Programm über einen längeren Zeitraum seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern und "auf den nachhaltigen Pfad der Gesundung" kommen könne. Freilich müsse Athen auch seinen Verpflichtungen nachkommen. Chancen, Gelegenheiten, Bedingungen: Die Finanzminister der Euro-Zone zeigen sich überzeugt, das Beste aus der Lage gemacht zu haben. Weniger wäre zu wenig, mehr ging nicht.

In Deutschland muss der Bundestag dem Rettungspaket am kommenden Montag zustimmen. Doch in Berlin tat man sich zunächst schwer, den Brüsseler Beschluss zu bewerten - trotz Schäubles Werbeoffensive. Zu unübersichtlich die Lage, zu kompliziert die Details. Noch würden keine belastbaren Papiere vorliegen, also könne man nichts sagen, hieß es an entscheidender Stelle der Unionsfraktion.

Am einfachsten war es noch für die Kritiker, die den Euro-Rettungskurs prinzipiell für falsch halten, FDP-Rebell Frank Schäffler etwa. Er hält die ganze Griechenland-Rechnung für Makulatur. "Der Finanzbedarf ist mindestens doppelt so hoch. Das zweite Griechenland-Paket unterstellt eine Schönwetterprognose, obwohl es längst stürmt", sagt er. "Griechenland steuert auf Weimarer Verhältnisse zu." Man solle das Geld lieber nutzen, um den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zu unterstützen. Schäffler macht klar: "Für ein Weiter-so werde ich nicht meine Hand heben."

+++ Schuldenschnitt kostet deutschen Steuerzahler Milliarden +++

Schon die vergangenen Abstimmungen zum Euro-Rettungsschirm waren für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Zitterpartie geworden. Und auch am kommenden Montag scheint eine eigene Mehrheit ihrer schwarz-gelben Koalition nicht gesichert. So betont man in der Union, dass man auf einer Beteiligung des IWF an dem zweiten Rettungspaket bestehe. Doch IWF-Chefin Christine Lagarde will ihr Kontrollgremium erst "in der zweiten Märzwoche" beraten lassen - deswegen so spät, um noch ein Druckmittel für ihre seit Wochen erhobene Forderung in der Hand zu haben: Der IWF will die Europäer bewegen, nun auch noch die Mittel des permanenten Rettungsschirms ESM aufzustocken. Ein Ansinnen, das noch für Streit sorgen wird: Die Bundesregierung hat sich auf ein Nein festgelegt und sieht die sinkenden Zinsen für die Anleihen Spaniens und Italiens als ausreichendes Argument.

Und dann gibt es noch grundsätzliche Kritik an dem zweiten Hilfsprogramm. Die wird vor allem aus der Opposition vorgetragen, die bisher bei der Euro-Rettung meistens die Koalition stützte. "Mit dem neuen Paket werden die Probleme nicht gelöst, sondern nur neue Zeit gekauft", bemängelt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Ob der angestrebte Schuldenstand von 120,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2020 wirklich erreichbar und tragbar sein werde, sei doch sehr fraglich.

+++ Kleines Pflaster auf großer Wunde +++

So geht die Troika aus IWF, EU und EZB, deren Bericht Grundlage der Entscheidung war, von einer sehr optimistischen Wirtschaftsentwicklung in Griechenland aus - von einem Wachstum von jährlich über zwei Prozent ab 2014. Vor "Unfallgefahr" auf dem Weg zur Gesundung warnt auch das Gutachten der Troika die Geldgeber mehrfach.