Verbandspräsident Karl Heinz Däke: „Beim zweiten Griechenland-Paket sind die Steuerzahler einmal mehr die Verlierer.“ Die Beteiligung der privaten Gläubiger müsse viel höher ausfallen. „Denn schließlich haben die Banken bereits einen erheblichen Teil ihrer Risikopositionen über den öffentlichen Sektor entsorgt.“

Berlin. Der Bund der Steuerzahler hat den Bundestag aufgefordert, weiteren Griechen-Hilfen die Zustimmung zu verweigern. In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch) sagte Verbandspräsident Karl Heinz Däke: „Beim zweiten Griechenland-Paket sind die Steuerzahler einmal mehr die Verlierer.“ Die Beteiligung der privaten Gläubiger müsse viel höher ausfallen. „Denn schließlich haben die Banken bereits einen erheblichen Teil ihrer Risikopositionen über den öffentlichen Sektor entsorgt.“ Der in Aussicht gestellte Schuldenschnitt sei längst eingepreist.

Däke kritisierte, es sei „inakzeptabel“, dass die deutschen Steuerzahler inzwischen für bis zu 320 Milliarden Euro hafteten. „Wir brauchen mehr Reformen in den Schuldnerstaaten“, sagte er. „Auch ein Euro-Austritt Griechenlands darf kein Tabu sein.“

Offene Fragen zum Hilfspaket

Frisches Geld und neuer Druck: Das zweite Hilfspaket für Griechenland steht, Schuldenschnitt und weitere Kredite sind verabredet. Auf der nächtlichen Marathonsitzung der Euro-Gruppe wurde jedoch auch die klare Erwartung an die griechische Regierung gestellt, jetzt schnell die bereits zugesagten Reformen umzusetzen. Damit das Paket funktioniert, müssen noch mehrere nationale Parlamente zustimmen - darunter am 27. Februar der Bundestag. Auch die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist noch nicht endgültig geklärt.

Die US-Börsen reagierten umgehend und verbuchten im Vergleich zum Freitag leichte Zuwächse, nachdem sie zu Wochenbeginn wegen eines Feiertags geschlossen geblieben waren. Die Gewinne hielten sich aber in Grenzen, weil die Einigung auf ein neues Hilfspaket für Griechenland im Kursanstieg der vergangenen Wochen laut Analysten bereits eingepreist war. Am deutschen Aktienmarkt haben Anleger Gewinne mitgenommen. Nach seinem kräftigen Plus vom Vortag ging der DAX 0,58 Prozent tiefer bei 6908,18 Punkten aus dem Handel.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte klar, dass das griechische Parlament sehr schnell zahlreiche Reformen verabschieden muss. Athen habe sich dazu verpflichtet, bis zum 29. Februar zugesagte Einzelmaßnahmen durchs Parlament zu bringen. Dazu zählten ein Sparpaket für den Gesundheitssektor, Renten- und Arbeitsmarktreformen sowie eine strengere Finanzmarktregulierung.

Woraus besteht das 2. Hilfspaket?

Die Hilfen für Griechenland bestehen im Wesentlichen aus zwei Teilen: Einerseits erklären sich die Europäer bereit, weiterhin erhebliche Milliardenbeträge nach Athen zu pumpen. Allein an den direkten Hilfskrediten braucht das marode Land im Süden Europas etwa 130 Milliarden Euro. Der Großteil kommt aus der EU. Eine deutlich geringere Summe wird der Internationale Währungsfonds (IWF) nach Athen überweisen. Wie viel, ist bislang allerdings unklar. Zu den direkten Hilfen der Europäer addieren sich außerdem die Zinsnachlässe bei den bilateralen Hilfskrediten aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland. Neben den Staaten sollen Banken, Versicherungen und Fonds einen erheblichen Teil der griechischen Probleme tragen. Die Bankenlobby vom IIF hat sich mit der griechischen Regierung darauf verständigt, auf 107 Milliarden Euro an Forderungen zu verzichten. Das entspricht in etwa 53 Prozent der gesamten griechischen Staatsschuld. Die Frage ist, ob das reicht, damit die Griechen ihren noch immer dramatisch hohen Schuldenberg irgendwann allein abtragen können oder nicht. Im Jahr 2020 soll sich die Schuldenlast Athens auf rund 120 Prozent der Wirtschaftsleistung belaufen - unter optimistischen Annahmen.


Worauf verzichten die Banken?

Die Zahlen sind verwirrend. Offiziell verzichten die privaten Gläubiger Griechenlands - zu denen eben nicht nur Banken gehören - auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland. Die Banken selber beziffern ihren Verlust allerdings auf mehr als 70 Prozent. Wie passt das zusammen? In der Praxis funktioniert das so: Griechenland wird jetzt den Gläubigern ein Tauschangebot für deren Griechen-Bonds vorlegen. Konkret bekommen die Banken 15 Prozent ihrer Investments in bar ausgezahlt. Der Großteil der alten Forderungen aber wird in neue Anleihen getauscht. Diese Bonds werden eine Laufzeit von bis zu 30 Jahre haben. Gleichzeitig aber sind sie mit extrem niedrigen Zinsen ausgestattet. Zwischen zwei und 4,3 Prozent liegt die Spanne. Für ein Land mit dem hohen Pleiterisiko Griechenlands ist das viel zu wenig. Deshalb behaupten die Kreditinstitute auch, gemessen am Marktwert verlören sie nicht nur 53,5 - sondern gar mehr als 70 Prozent ihrer Investments.

Viele Banken, Versicherungen und Fonds werden ihren Investoren und Aktionären wiederum nicht erklären können, warum sie so ein schlechtes Geschäft mitmachen sollen. Sie werden daher nicht freiwillig am Schuldenschnitt teilnehmen. Die griechische Regierung wird deshalb mit großer Sicherheit ein Gesetz einbringen, das rückwirkend Umschuldungsklauseln (CACs) in die Griechen-Bonds einführt. Nach griechischem Recht geht das. Mit dieser Maßnahme dürfte es den Banken kaum noch möglich sein, sich der Maßnahme zu verweigern. Diese CACs aber führen auch dazu, dass der Schuldenschnitt nicht mehr freiwillig ist und die sogenannten Kreditausfallversicherungen fällig werden. Die finanziellen Folgen für die Stabilität des Finanzmarkts kann derzeit keiner genau beziffern.

Worauf verzichtet die EZB?

Nicht nur die privaten Gläubiger, auch die Europäische Zentralbank (EZB) soll zur Rettung Griechenlands beitragen. Die Rechnung ist kompliziert: Barclays rechnet, dass die EZB griechische Bonds im Volumen von rund 41 Milliarden Euro über das sogenannte SMP-Programm zur Stabilisierung der Märkte gekauft hat. Der Kaufpreis lag damals nur noch bei rund 35 Milliarden Euro, weil der Marktwert der Anleihen längst gesunken war.

Weil die EZB beim Anleihetausch nicht mitmachen muss, bekommt sie am Ende der Laufzeit dieser Bonds aber die volle Summe von 41 Milliarden Euro ausgezahlt, dieses Geld soll über die EU-Regierungen zurück an Athen fließen. Außerdem bekommt die EZB die Zinsen aus diesen Anleihen. Barclays kalkuliert hier weitere zwölf Milliarden Euro. Auch dieses Geld könnte an Athen gehen. Das zusammen entspricht schon fast sechs Prozent der Wirtschaftsleistung Griechenlands. Darüber hinaus sollten weitere 1,8 Milliarden Euro aus jenen Anleihen nach Griechenland zurückfließen, die im Besitz der nationalen Notenbanken des Euro-Systems sind. Eine Menge Geld also insgesamt.

Worauf verzichten die Euro-Staaten?

Die Mitglieder der Euro-Zone überweisen nicht nur Milliarden nach Athen, sie verzichten ihrerseits auch auf Geld, das ihnen zusteht. Zustande kommt diese Entlastung Athens, weil die Europäer den Zinssatz für die Kredite reduzieren, die sie im ersten Hilfspaket gewährt ha- ben. Bislang zahlt das Land einen Zins, der sich addiert aus dem Zinssatz für Termingelder in Euro im Interbankengeschäft (Euribor) für drei Monate plus drei Prozent Extra-Zins. Dieser Extra-Zins wird halbiert. Bei einem Euribor von rund 1,03 Prozent entspräche das insgesamt rund 2,5 Prozent. Einige Geberländer kann das teuer zu stehen kommen, weil sie sich dieses Geld ja selbst nur leihen. Sind ihre eigenen Kosten für die Kredite plötzlich höher, gibt es "dafür keine zusätzliche Kompensation", heißt es in den Brüsseler Papieren.

Was musste Athen versprechen?

Die Liste, die die Griechen an Bedingungen zu erfüllen hatten, ist lang: Einerseits müssen sie sich nun auf das Treuhandkonto einlassen, mit denen ihnen die anderen Europäer jederzeit den Zugang zu den Krediten sperren können. Andererseits musste Griechenlands Regierung weitere Zusagen für das Spar- und Reformprogramm machen. So werden die Griechen in ihrem aufgeblasenen Beamtenapparat streichen müssen. Renten sollen gekürzt werden, Mindestlöhne gesenkt und Löhne im privaten Sektor eingefroren. Und das ist nur ein sehr kleiner Teil aller Maßnahmen.

Ist Griechenland gerettet?

Weit mehr als 240 Milliarden Euro schwer ist Teil II der Griechenland-Rettung. Und trotzdem ist die Lage schlecht. Auf den angepeilten Schuldenstand von 120 Prozent in 2020 kommt Griechenland nur, wenn die Wirtschaft ab 2014 konstant um mindestens zwei Prozent pro Jahr wächst. Das ist aber - zumindest aus heutiger Sicht - wenig realistisch. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, kalkuliert: "Fällt der unterstellte Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt der Jahre bis 2020 nur 0,5 Prozentpunkte niedriger aus, beträgt der Schuldenstand 2020 nicht 120,5 Prozent, sondern 125 Prozent. Wächst die Wirtschaft pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte weniger als unterstellt, landet man bei 127 Prozent." Und selbst unter den Verhandlungspartnern Griechenlands gibt es viele, die es für wenig realistisch halten, dass Athen diese Ziele erreicht. "Bislang hat die Regierung nie gehalten, was sie versprochen hat", hieß es in deutschen Regierungskreisen. "Warum sollte es dieses Mal anders sein?" Jörg Krämer hat daher eine ganz simple Erwartung: "In der zweiten Jahreshälfte ist die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht." In Verhandlungskreisen rechnet man nur mit wenigen Monaten mehr.