Niedersachsens neuer Umweltminister Birkner fordert von der Regierung Verbesserungen bei der Auswahl des Standorts für ein Atommülllager.

Berlin. Seit einer Woche ist bekannt, wie sich die Bundesregierung die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktiven Atommüll vorstellt. Im gesamten Bundesgebiet will sie nach einem geeigneten Standort forschen lassen, wie ihrem Gesetzentwurf zu entnehmen ist. Außerdem will sie die betroffenen Bürger eines möglichen Standorts einbeziehen, um mehr Akzeptanz für ein Endlager zu erlangen. Ob der umstrittene Salzstock in Gorleben von vornherein in die Auswahl kommt, lässt der Entwurf aus dem Bundesumweltministerium ausdrücklich offen. Damit bleibt das heutige Zwischenlager vorerst im Spiel.

Im betroffenen Bundesland Niedersachsen hielt sich die Landesregierung bislang mit Bewertungen des Gesetzentwurfs zurück. Nun meldet sich der neue niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner (FDP) zu Wort und fordert Verbesserungen an den Plänen der Bundesregierung. Birkner stößt sich vor allem an der Gesetzespassage zur Bürgerbeteiligung, die seiner Ansicht nach nicht weit genug geht. "Die Bürger müssen stärker in das Verfahren einbezogen werden. Sie müssen eigene Möglichkeiten bekommen, auch eigene Gutachter zu beauftragen", verlangte Birkner im Gespräch mit dem Abendblatt. Und er warnte die Bundesregierung vor den Folgen, sollte sie nicht nachjustieren: "Wir brauchen bei der Endlagersuche eine echte Partizipation der Bevölkerung." Der vorliegende Gesetzentwurf setze leider mehr auf Information als auf Bürgerbeteiligung. "Damit bietet man aber eine Angriffsfläche, die man vermeiden sollte."

Der Umweltminister kritisierte auch, dass auch das bisherige Dialogangebot des Bundes bei Gorleben in der Region nicht angenommen und als nicht ausreichend empfunden werde.

+++ Bundesumweltministerium will Rückholung der Asse-Abfälle +++

+++ Neuer Umweltminister Birkner fordert "Lex Asse" +++

+++ McAllister will Anwohner-Interessen berücksichtigen +++

In der entsprechenden Passage des Entwurfs heißt es, dass zur "Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit" Versammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollen die "wesentlichen" Unterlagen auf einer Internetplattform veröffentlicht werden. Die "betroffene Öffentlichkeit" soll "frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme" erhalten. Wenn ein Standort weniger als 50 Kilometer von einer Grenze entfernt liegt, sollen auch die Betroffenen im Nachbarland regelmäßig informiert und deren Bedenken angehört werden.

Wie beim Moratorium vor dem Atomausstieg will sich die Koalition in Berlin auch bei der Endlagersuche moralisch wappnen. Erneut soll eine Ethikkommission regelmäßig die "verantwortungsethischen Entscheidungsgrundlagen" begutachten und die Standortauswahl inhaltlich begleiten.

Zur Endlagersuche will der zuständige Minister Norbert Röttgen (CDU) obendrein eine neue Bundesbehörde gründen: das Bundesinstitut für Endlagerung. Kritiker sprechen bereits von einer Entmachtung des Bundesamts für Strahlenschutz, das eigentlich für die Umsetzung der Atompolitik zuständig ist. Dessen Präsident ist Wolfram König, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Er hatte wiederholt Kritik am politischen Festhalten am Standort Gorleben geäußert. Nicht das Bundesamt für Strahlenschutz, sondern das neu zu gründende Bundesinstitut für Endlagerung soll aber nach Röttgens Wunsch die Kriterien für ein Endlager erarbeiten und damit zum wichtigsten Akteur der Endlagersuche werden. Das letzte Wort haben allerdings Bundestag und Bundesrat, deren Votum über den Endlager-Standort entscheiden soll. Dass am Ende doch nur der Standort Gorleben infrage kommen könnte, gilt für Umweltminister Birkner als ausgeschlossen. "Klar ist, dass wir eine vergleichende Endlagersuche brauchen. Wir müssen mindestens zwei Standorte gegeneinander ins Rennen schicken."

Zugleich sprach er sich dagegen aus, Gorleben als mögliches Endlager von vornherein zu streichen. "Wenn wir Gorleben aus politischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt aus dem Topf der noch zu betrachtenden Standorte rausnehmen, wird man einen Suchprozess an einem anderen Ort kaum legitimieren können. Das würde den gesamten Prozess gefährden." Eine Unterbrechung der Erkundungsarbeiten in Gorleben wäre aber zeitnah möglich, "wenn der jetzige Arbeitsschritt zu Ende geführt worden ist", betonte der FDP-Politiker. "Das wäre frühestens im Herbst möglich." Die Entscheidung müsse schnell fallen, wie weit Gorleben als Standort für ein mögliches Endlager weiter erkundet werden solle. "In den kommenden Wochen muss klar werden, wie es mit Gorleben weitergeht", forderte Birkner.

Bis zum Sommer soll das Endlager-Gesetz stehen, auf dessen Grundlage die Suche nach Alternativen zu Gorleben beginnen kann. Ganz gleich, wie schnell dieser Prozess andauert: Vor 2040 wird das deutsche Endlager wohl nicht in Betrieb gehen.