Bundesamt für Strahlenschutz kann Zeitplan nicht einhalten. Ab 2020 Einsturzgefahr

Hannover. Die grüne Bundestagsabgeordnete und Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl nennt es das "größte denkbare Umweltdesaster in Deutschland": Die Rückholung von 126 000 Fässern mit Atommüll aus dem maroden alten Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel droht am Gegeneinander der beteiligten Behörden zu scheitern. In einem Brandbrief an das Bundesumweltministerium hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Betreiber der Asse gewarnt, wegen der immer neuen Auflagen für die angelaufenen Arbeiten sei der enge Zeitplan nicht einzuhalten. Und dieser Zeitplan wiederum wird diktiert von der Tatsache, dass das riesige alte Bergwerk einsturzgefährdet ist und zudem unkontrollierbare Wassereinbrüche drohen. Im dem gestern bekannt gewordenen Brief an das Berliner Ministerium wird von einer Sachlage gewarnt, die die Rückholung sicherheitstechnisch als "nicht mehr vertretbar erscheinen lässt". So konkret wird diese Gefahr gesehen, dass das BfS empfiehlt, bereits jetzt alle "fachlichen und kommunikativen Vorbereitungen für eine Aufgabe des Projekts zu treffen". Das Umweltministerium in Hannover ist Atomaufsicht, hat die Auflagen für die Arbeiten erlassen und hielt gestern prompt dagegen. Die Auflagen für das Anbohren der ersten Lagerkammer seien sicherheitstechnisch notwendig, und Minister Hans-Heinrich Sander (FDP) fühlt sich sogar vom Bundesamt "hinters Licht geführt".

Den Kleinkrieg zwischen Bundesumweltministerium, Bundesamt und Landesumweltministerium als Atomaufsicht gibt es bereits seit Jahren, alle Beteiligten versuchen, die letzte Verantwortung für das heikle Projekt dem jeweils anderen zuzuschieben.

Nie zuvor ist weltweit ein Atomendlager rückabgewickelt worden, die Arbeiten werden mehrere Milliarden Euro kosten, wenn es überhaupt dazu kommt. Den Startschuss gab Anfang 2010 das Bundesamt mit der Feststellung, im Bergwerk selbst lasse sich die nach Atomgesetz vorgeschriebene Langzeitsicherheit des schwach- und mittelaktiven Mülls nicht gewährleisten. Zeitgleich aber hat das Bundesamt ein umfangreiches Notfallszenario vorbereitet für den Fall von unkontrollierbaren Wassereinbrüchen. Dann sollen Notmaßnahmen wie eilig zu bauende Betonbarrieren dafür sorgen, dass der kaum zu vermeidende Austritt von Radioaktivität an der Erdoberfläche wenigstens verzögert wird.

Der Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, glaubt, es gehe den beiden beteiligten schwarz-gelben Regierungen in Berlin und Hannover darum, die Rückholung zu torpedieren: "Offenbar wollen einige Akteure vor Wahlen in Land und Bund Fakten schaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind."

Nach ersten Planungen sollte die Rückholung bis 2020 abgeschlossen sein. Jetzt rechnet das Bundesamt laut Brandbrief mit einem Zeitraum bis 2040. Gegenwärtig aber gilt die Standsicherheit des riesigen Grubenkomplexes nur bis 2020 als gesichert.