Christian Wulff stellt sich in Berlin den Fragen von “Zeit“-Herausgeber Josef Joffe und findet sogar zur Selbstironie. Nur eine Sache findet Wulff “total banal“.

Berlin. Es ist ganz schön glatt geworden, das Parkett, auf dem sich der Bundespräsident bewegt. Als er das anderthalbstündige Gespräch mit Josef Joffe fast schon überstanden hatte, hat Christian Wulff gesagt: "Wenn man sich zu sehr zum Musterknaben macht, kann man auch böse erwachen." Das fanden die 700, die gestern Mittag zur "Zeit"-Matinee ins Berliner Ensemble gekommen waren, naturgemäß sehr komisch. Wulff selbst, der bei seiner Bemerkung eigentlich Deutschland und seine Führungsrolle in der Euro-Krise im Auge gehabt hatte, tat sich angesichts der allgemeinen Heiterkeit allerdings schwer, wenigstens ein Lächeln hinzukriegen.

Immerhin hat er nicht gekniffen. "Sportlich" sei es, dass er nicht abgesagt habe, hat ihm "Zeit"-Herausgeber Joffe anerkennend bescheinigt. Und tatsächlich hatte Wulff, der im eleganten dunkelblauen Anzug erschien, etwas von einem Dschungelcamper an sich. So einer, das weiß man ja, muss stoisch über sich ergehen lassen, dass unerfreuliche Dinge über ihm ausgekübelt werden, wenn er sich Respekt erarbeiten will. Diese Prüfung hat Wulff am Sonntag mit Anstand hinter sich gebracht, und dafür gab es am Ende freundlichen Beifall. Die Frage ist nur, wie viele Dschungelprüfungen diesem Bundespräsidenten nach günstigem Privatkredit, kostenlosen Urlaubsreisen und Medien-Affäre noch bevorstehen.

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Er selbst scheint nach wie vor entschlossen, die Sache durchzustehen. Sonst würde er ja nicht Sätze sagen wie: "Man kann ins Straucheln kommen und wieder aufstehen." Oder: "Ich möchte natürlich, dass meine Arbeit nach fünf Jahren bewertet wird." Die kannte man von ihm schon. Überraschend war allerdings Wulffs Reaktion auf Joffes Frage, ob er in den zurückliegenden sechs Wochen denn nie daran gedacht habe zu sagen: "Ihr könnt mich mal!" Da hat er so entgeistert gewirkt, dass man begriff, dieser Gedanke ist diesem Bundespräsidenten tatsächlich noch nicht gekommen. "Total banal" finde er den, hat er dann gesagt.

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Als guter Gastgeber hat Joffe Wulff nicht über Gebühr gepiesackt. Der Ton war mit der Sottise Friedrichs des Großen vorgegeben, eine Krone sei auch nur ein Hut, in den es hineinregne. Wulff erhielt Gelegenheit zu erklären, dass er den Medien nichts nachtrage und dass ihm der Job immer noch Spaß mache. Wegen der interessanten Begegnungen mit Menschen aus allen Lebensbereichen, wegen der animierenden Möglichkeiten, die die "Denkfabrik Bellevue" biete. Und tatsächlich hat Wulff im Laufe des Gesprächs sogar zur Selbstironie gefunden. Seine Arbeit, hat er mit Blick auf die neuen Live-Übertragungen aus Schloss Bellevue gesagt, finde gerade eine Verbreitung, "wie das in 60 Jahren nicht gelungen ist". Das sorgte für Amüsement im voll besetzten Theater am Schiffbauerdamm. Lacher bekam Wulff auch für die Bemerkung, es sei doch erstaunlich, wie aus einem Langweiler-Image quasi über Nacht ein Glamour-Image werden könne.

Im Gegenzug lenkte Joffe dann doch noch zu der Frage über, mit der diese 50. "Zeit"-Matinee vor Monaten bei ihrer Ankündigung überschrieben worden war: "Typisch deutsch?" Typisch deutsch, antwortete Christian Wulff, sei für ihn der Drang zum Konsens. Der habe sich auch in der Weltwirtschafts- und -finanzkrise als sehr wertvoll erwiesen. Wulff verwies in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die konstruktive Rolle der Gewerkschaften. Mit Blick auf den EU-Gipfel am kommenden Wochenende meinte der Bundespräsident, Deutschland müsse in der anhaltenden Krise "vorangehen und die anderen mitnehmen" - darin liege die intellektuelle Herausforderung für die Bundesregierung.

Als Joffe Wulff am Ende aufforderte, sich ein Motto aus dem Fundus Friedrichs des Großen auszusuchen, entschied dieser sich für den Satz: "Man muss seinen Ärger hinunterschlucken, wenn einem das Glück zuwider ist."