Anwalt: Kein Verstoß gegen niedersächsisches Ministergesetz - Neue Vorwürfe gegen Ex-Sprecher Glaeseker - Umstrittener „Nord-Süd-Dialog“ beschäftigt Landtag

Hannover. Neue Enthüllungen über Verbindungen zu Unternehmen und die Ermittlungen gegen seinen Ex-Sprecher Olaf Glaeseker bringen Bundespräsident Christian Wulff erneut in Bedrängnis. Seine Anwälte bestätigten am Freitag einen Medienbericht, wonach sich Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident vor zwei Jahren von der Firma Zentis zum Münchner Filmball einladen ließ. Der Marmeladenhersteller habe die Übernachtung für das Ehepaar Wulff und das Sicherheitspersonal sowie die Eintrittskarten bezahlt. Dies stehe jedoch im Einklang mit dem niedersächsischen Ministergesetz, betonten die Anwälte.

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+++ Wulff ließ sich von Zentis zum Filmball einladen +++

Den Regeln zufolge dürften die Gastgeber Reise- und Übernachtungskosten für Regierungsmitglieder übernehmen, wenn die Erfüllung der Amtsaufgaben nicht beeinflusst oder behindert werde, erläuterte Wulffs Anwalt Gernot Lehr. Auch dürften die Unparteilichkeit und Unbefangenheit nicht beeinflusst werden.

Über die Einladung des Ehepaares Wulffs zum Filmball durch Zentis hatte die Münchner „Abendzeitung“ berichtet und sie in Zusammenhang mit einem Vortrag gestellt, den Wulff wenige Wochen zuvor bei einer Konferenz der Firmenleitung gehalten hat. Wulffs Anwalt erklärte, in dem Vortrag in einem niederländischen Hotel im Dezember 2009 sei es um Fragen der Lebensmittelwirtschaft gegangen. Bei der Gelegenheit habe Wulff die Führung der Zentis-Gruppe überzeugt, im folgenden Jahr in Wolfsburg zu tagen.

Wulff steht wegen eines privaten Hauskredits der Unternehmergattin Edith Geerkens, eines günstigen Nachfolgekredits bei der BW-Bank, Urlauben bei Unternehmerfreunden und versuchter Einflussnahme auf die Berichterstattung von Medien in der Kritik.

Im Fall Glaeseker begann die Staatsanwaltschaft Hannover mit der Auswertung der am Vortag beschlagnahmten Unterlagen. Es bestehe nach wie vor ein Anfangsverdacht, sagte ein Sprecher. Ein dringender Tatverdacht sei „ganz weit entfernt“. Glaesekers Berliner Anwalt werde kurzfristig Akteneinsicht gewährt. Dem langjährigen engsten Vertrauten Wulffs wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Er soll zwischen 2007 und 2009 die Finanzierung des vom Eventmanager Manfred Schmidt ausgerichteten „Nord-Süd-Dialogs“ im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte „gefällig gefördert“ haben. Als Gegenleistung soll Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaub in Feriendomizilen Schmidts gemacht haben.

Gegen Glaeseker wurden im Zusammenhang mit der Veranstaltungsreihe neue Vorwürfe laut. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) bestätigte einen Bericht der „Neuen Presse“, wonach er 2009 in seiner Funktion als Staatssekretär der Staatskanzlei für den „Nord-Süd-Dialog“ 44 Studenten als Servicekräfte angefordert und bekommen habe. Die Begleichung der Kosten von 5245 Euro habe er später allerdings verweigert.

Offiziell wird bislang beteuert, die Veranstaltung sei privat organisiert und finanziert worden und habe ganz in den Händen von Eventmanager Schmidt gelegen. Wulff hatte ebenso wie der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger die Schirmherrschaft inne. Die Veranstaltungsreihe sollte beide Länder als Wirtschaftsstandorte stärken und eine Plattform bieten. Medienberichten zufolge haben Glaeseker und Wulff sich aber selbst an der Anwerbung von Sponsoren beteiligt.

Die neuen Vorwürfe gegen Glaeseker und die Einbindung der MHH lösten im niedersächsischen Landtag einen Schlagabtausch aus. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) bestätigte den Einsatz der Studenten. Es sei aber ein Fehler gewesen, dass sich die Hochschule habe abspeisen lassen und nicht auf eine Rechnung beharrt habe. Am Rande des Plenums äußerte Möllring deutlichen Unmut über Glaeseker. Von diesem fühle er sich betrogen.

Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel kritisierte, die Landesregierung habe eine falsche Antwort gegeben. Noch am Vortag hatte Möllring bestritten, dass die Staatskanzlei unter Wulff in die Vorbereitungen einbezogen gewesen sei.

Die SPD im Landtag schloss einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Wulffs Kreditaffäre nicht aus. „Das steht als eine Möglichkeit im Raum, wenn die CDU/FDP-Landesregierung ihre Blockadehaltung nicht aufgibt“, sagte Fraktionschef Stefan Schostok. Im Landtag hatte die Links-Fraktion die Einsetzung eines solchen Gremiums beantragt, die Grünen haben Zustimmung signalisiert. Die SPD zögert noch. Schostok verwies darauf, dass durch die Ermittlungen gegen Glaeseker und Schmidt der wichtige Komplex des umstrittenen „Nord-Süd-Dialogs“ dem Untersuchungsgegenstand entzogen sei. Das Gremium könne Glaeseker und Schmidt während des laufenden Verfahrens nicht als Zeugen vernehmen und keine Akten anfordern. (rtr/abendblatt.de)