Der Bundespräsident soll dienstlich erworbene Bonusmeilen privat genutzt haben. Außerdem legt die “Welt“ einen Teil ihrer Recherchen offen.

Berlin. Die Kritik an Bundespräsident Christian Wulff ebbt nicht ab. Neben der Kredit- und Medienaffäre werden kommen nun neue mögliche Verfehlungen ans Licht. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident dienstlich erworbene Bonusmeilen der Lufthansa unerlaubt für Privatflüge eingesetzt haben. Derweil rutschen die Umfragewerte für das Staatsoberhaupt in den Keller. Nur noch 34 Prozent der Bürger halten den Bundespräsidenten für glaubwürdig, wie das ZDF-Politbarometer ausweist. 61 Prozent sehen es nicht mehr so.

Derweil wird über mögliche Nachfolger bereits diskutiert. Dabei liegt der DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck in der Gunst der Deutschen ganz weit vorne. Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth hält eine Benennung Gaucks durch Bundeskanzlerin Angela Merkel für unwahrscheinlich. Der 71-Jährige war bereits bei der Wahl 2010 als Kandidat von SPD und Grünen unterlegen, nachdem die Kanzlerin sich mit den Regierungsparteien auf Wulff festgelegt hatte. „Merkel bleibt in der Kontinuität ihrer Entscheidungen. Ihr Nein zu Gauck vor zwei Jahren hat auch weiterhin Bestand“, zeigte sich Langguth überzeugt.

In der Union wird entgegen ersten Hoffnungen nicht mehr mit einem schnellen Ende der Wulff-Debatte gerechnet. „Kurzfristig wird die Debatte sicher weitergehen“, sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier dem „Hamburger Abendblatt“. Grundsätzlich gelte, dass in einer freiheitlichen Demokratie fast alle Fragen gestellt werden dürften. „Solange die Öffentlichkeit der Auffassung ist, dass nicht alle Fragen beantwortet sind, geht die Debatte natürlich weiter.“ Ziel sei aber weiter, dass Wulff „seine Amtsgeschäfte unbelastet bis zum Ende seiner Amtsperiode verrichten kann“.

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Dennoch bläst Wulff auch aus CDU-Reihen ein rauer Gegenwind ins Gesicht. Der Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Georg von der Marwitz verschärfte seine Kritik und forderte Wulff zum Rücktritt auf. „So ist es nicht mehr zu ertragen“, sagte von der Marwitz im Deutschlandfunk. Er betonte: „Für uns alle ist es mittlerweile fast schmerzhaft zu erleben, wie dieses Amt Schaden nimmt.“

Aus Sicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Mathias Middelberg sind Forderung nach einem Rücktritt nicht gerechtfertigt. Die schlechten Umfragewerte seien durch ein „Pressefeuerwerk“ zustande gekommenen und könnten sich schnell ändern, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. .

Nach den Kredit- und Transparenzvorwürfen gegen Wulff rückt nun eine Urlaubsreise in die USA vom April 2007 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, sollen der damalige niedersächsische Ministerpräsident, seine heutige Ehefrau Bettina und deren Sohn während des Fluges von Miami nach Frankfurt ein Upgrade von der Economy-Class in die Business-Class erhalten haben. Dafür soll Wulff nach Angaben seines Anwalts privat erworbene Bonusmeilen eingesetzt haben. Laut Zeitung hätte Wulff dafür 210.000 Euro mit seiner Lufthansa-Kreditkarte umsetzen müssen.

Auf Anfrage des Blattes soll Wulffs Rechtsanwalt Gernot Lehr zunächst bestritten haben, dass es eine solche Umbuchung gegeben habe. Auf Nachfragen der Zeitung habe Wulffs Anwalt die ursprüngliche Stellungnahme später um den zusätzlichen Hinweis ergänzt: „Das Meilenkonto besteht seit Ende der 80er-Jahre. Herr Wulff nutzt für alle privaten Ausgaben ausschließlich die Kreditkarte der Lufthansa.“ Der Lufthansa zufolge bestehe das Bonusmeilen-Programm „Miles & More“ jedoch erst seit 1993. Eine „Miles & More“-Kreditkarte gibt es demnach erst seit 1999.

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Derweil haben sich die "Welt" und die "Welt am Sonntag" dazu entschieden, einen Teil ihrer Recherchen zu veröffentlichen. Man woll vom Recht am eigenen Wort Gebrauch machen und alles Fragen, die an Bundespräsident Wulff geschickt wurden sowie dessen Antworten darauf, auf der "Welt"-Homepage zu veröffentlichen. Die Dokumentation zeige, wie karg manche Antworten ausgefallen seien, und dass selbst Antworten auf Nachfragen bis heute vieles im Unklaren ließen, berichtet die „Welt“ (Freitagsausgabe).

Mehrere Zeitungen hatten am Donnerstag den Anwalt des Bundespräsidenten von seiner Schweigepflicht entbunden, darunter auch die zum Springer-Konzern gehörende „Welt“. Wulff hatte in seinem Fernsehinterview am 4. Januar gesagt, dass er und seine Anwälte mehr als 400 Fragen zu dem umstrittenen Hauskredit beantwortet hätten. Er kündigte an, dass seine Anwälte alles ins Internet einstellen würden: „Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger jedes Detail zu diesen Abläufen sehen und bewertet sehen, auch rechtlich.“ Sein Anwalt Gernot Lehr veröffentlichte am folgenden Tag nur eine sechsseitige Zusammenfassung zur Kreditfinanzierung von Wulffs Haus und zu seinen Urlaubsreisen.

Lehr verteidigte sein Vorgehen damit, dass „der im Mandantenauftrag geführte Schriftverkehr und die Gespräche zwischen Anwälten und Dritten“ unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht fielen. Eine Veröffentlichung der Journalistenfragen würde „das Recht der jeweils anfragenden Journalistinnen und Journalisten am eigenen Wort und an dem Schutz ihrer Rechercheergebnisse oder -ziele verletzen“.

Unterdessen warf die „Welt“ ihrerseits Lehr vor, am 23. Dezember zwei Mails des „Welt“-Redakteurs Jörg Eigendorf vom 21. und 22. Dezember mit aktuellen Fragekatalogen an die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ weitergereicht zu haben. Lehr sagte der „Sonntagszeitung“, es habe sich um eine „bedauerliches Versehen“ gehandelt: „Das war nicht im Auftrag meines Mandanten, nicht mit dem Bundespräsidenten abgestimmt.“

Ein „bedauerliches Versehen“ oder Irrläufer kann laut „Welt“ indes ausgeschlossen werden. Die Übersendung der Mail an das konkurrierende Blatt sei dort vorher wiederholt angekündigt worden, wie die „Welt“ aus Redaktionskreisen erfahren habe.

Mit Material von dapd und epd