Liste mit 400 Fragen und Antworten zur Affäre um günstige Hauskredite für Christian Wulff bleibt geheim. Internetplattform will Affäre objektiv aufklären.

Berlin. Mit ernster Miene, kerzengerade und manchmal mit geballter Faust steht Christian Wulff im Schloss Bellevue. Inmitten seiner Affäre um günstige Hauskredite und Beeinflussung von Medien begrüßt er 200 Botschafter aus aller Welt. Nur selten huscht dem Bundespräsidenten beim Händeschütteln im Akkord ein müdes Lächeln übers Gesicht. Vielen ist es ein Rätsel, wie der 52-Jährige angesichts der Vorwürfe gegen ihn in Zukunft glaubwürdig seinen Aufgaben als oberster Repräsentant des Staates nachkommen will. Es wirkt so, als versuche Wulff die Affäre durch Routine zu beenden.

US-Botschafter Philip Murphy legt Wulff einen Arm auf den Rücken. Es scheint, als sauge der Gastgeber solche Gesten geradezu in sich auf. Wulff demonstriert Durchhaltewillen. In seiner Rede dankt er den Gästen für die vielen persönlichen Wünsche: "Ich habe viel Aufmunterung erfahren." Er verspricht den Botschaftern und Exzellenzen, sie könnten sich auch in Zukunft auf ihn verlassen.

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Doch noch immer sind Fragen offen, etwa zu Wulffs Kredit bei der BW-Bank. Das Geldinstitut selbst hat eine interne Prüfung zu den offenbar günstigen Konditionen in die Wege geleitet. Gegen sein ausdrückliches Versprechen weigert sich Wulff nun, die rund 400 detaillierten Fragen und Antworten zur Affäre zu veröffentlichen. Sein Anwalt Gernot Lehr begründete dies mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Stattdessen sei eine zusammenfassende Stellungnahme erfolgt.

Im Fernsehinterview der vergangenen Woche hatte Wulff angekündigt, die Unterlagen im Internet "morgen" zu veröffentlichen. Das Verhalten der Anwälte sorgte im Unionslager für Kritik. Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte dem Abendblatt: "Ich hielte es für unglücklich, wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückbleiben, was er selbst in einem Fernsehinterview angekündigt hat."

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Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) empfahl dem Bundespräsidenten, mit inhaltlichen Beiträgen in die Offensive zu kommen. "Er hat die Macht des Wortes und kann mit eigenen Beiträgen wichtige Themen entscheidend mitprägen“, sagte Oettinger dem Hamburger Abendblatt . "Darin sehe ich jetzt eine große Chance für Christian Wulff.“

Oettinger sprach sich dagegen aus, den Anruf auf der Mailbox des "Bild“-Chefredakteurs Kai Diekmann vollständig zu veröffentlichen. Wulffs Nachricht auf der Mailbox sei "eine Art Vieraugengespräch“ gewesen. "Da sollte Vertraulichkeit bewahrt werden.“

Nach Ansicht des CDU-Politikers durchlebt das Staatsoberhaupt momentan "eine schwere Zeit, die nicht vergleichbar ist mit normalen Amtsgeschäften“. Wulff wolle und werde die volle Autorität für das Amt zurückerlangen, zeigte sich Oettinger überzeugt.

Im Internet soll eine unabhängige Plattform namens "WulffPlag" dazu dienen, die Vorwürfe "genau und objektiv" aufzulisten. Dabei geht es sowohl um den Privatkredit als auch um den Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, den Nutzer anhand der bisher bekannten Informationen weitgehend rekonstruiert haben. Der Name WulffPlag erinnert an die gemeinsame Suche von Netzaktivisten nach Fundstellen in der Doktorarbeit von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Seite ist nach demWiki-Prinzip aufgebaut - die Nutzer können die Inhalte frei verändern.

In einer repräsentativen Blitzumfrage der ARD-Sendung "Hart aber fair" (1000 Befragte) sprachen sich 46 Prozent der Deutschen gegen und ebenso viele Bürger für einen Rücktritt von Wulff aus. Damit sank Wulffs Rückhalt in der Bevölkerung im Vergleich zu Donnerstag vergangener Woche um zehn Prozentpunkte.