CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach fordert, gewaltbereite Chaoten von links außen oder rechts außen gesellschaftlich zu isolieren.

Hamburg. Mehr Brandstiftungen, mehr Randale, mehr Anhänger - die linksextremistische Szene wird in Deutschland immer größer und gewalttätiger. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht hervor, den Bundesinnenminister Thomas de Maizière gestern in Berlin vorstellte. Danach wurden 2009 rund 1100 Gewalttaten aus dem linksextremen Spektrum registriert und damit rund 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Brandstiftungen verdoppelte sich auf 113. Dazu zählen vor allem angezündete Autos in Hamburg und Berlin. Die Zahl der Körperverletzungen stieg um 40 Prozent auf 502 Fälle.

Rund 6600 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum werden als gewaltbereit eingestuft (plus fünf Prozent), etwa 6100 von ihnen stammen aus der autonomen Szene. Bei Demonstrationen schließen sie sich zum gefürchteten "schwarzen Block" zusammen, "von dem fast immer Gewalt - vor allem gegen die eingesetzten Polizeikräfte - ausgeht", wie es im Verfassungsschutzbericht heißt. De Maizière rief die Gesellschaft dazu auf, sich nicht nur von rechter, sondern auch von linker Gewalt klar zu distanzieren.

Eine deutliche Abgrenzung forderte auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). "Entscheidend ist, dass gewaltbereite Chaoten von links außen oder rechts außen gesellschaftlich komplett geächtet und isoliert werden, indem alle Demokraten sagen: ,Mit euch machen wir keine gemeinsame Sache'", sagte er dem Abendblatt. Sobald die Radikalen merkten, dass sie Einfluss auf politische Entscheidungen haben, würden sie sich in ihrem Treiben bestärkt fühlen. "Es handelt sich eben nicht um politische Akteure, sondern um Straftäter, die politische Demonstrationen nur zum Anlass nehmen, Gewalt auszuüben", sagte der CDU-Innenexperte.

Als Beispiel nannte Bosbach die Demonstration gegen Sozialabbau am 12. Juni in Berlin, die unter anderem von den Linken und Ver.di mitorganisiert war. Dabei hatten Autonome einen Sprengsatz auf Polizisten geschleudert. Es sei zu wenig, wenn sich die Veranstalter erst dann verbal vom schwarzen Block distanzierten, wenn das Opfer schon am Boden liege. "Daher müssen die Veranstalter gewaltbereite Radikale und den schwarzen Block sofort räumlich isolieren und dafür sorgen, dass sie nicht gedeckt durch eine friedliche Menge Schutz für die Begehung von Straftaten erhalten", sagte Bosbach. Verfassungsschutzchef Heinz Fromm räumte ein, dass die Behörden viel zu wenig über die Autonomen wüssten, und will künftig die Aufklärungsarbeit in dieser Szene verstärken. Insgesamt schätzen die Behörden etwa 31 600 Personen als linksextremistisch ein - darunter auch Mitglieder der Kommunistischen Plattform oder der Sozialistischen Linken innerhalb der Linkspartei. Diese wird weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet. Noch sieht der Verfassungsschutz keine Anzeichen für einen neuen Linksterrorismus. Für die Zukunft wollte Fromm ihn aber nicht ausschließen.

Künftig die Linksextremisten stärker zu beobachten, ohne den Rechtsextremismus und die anhaltende Bedrohung aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus zu vernachlässigen, wird die Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden sein. Es gibt mit 9000 auch mehr gewaltbereite Rechtsextremisten als extreme Linke. Zugleich sei ein Trend zu einem leichten Mitgliederschwund bei Parteien und Organisationen aus dem extremen Spektrum zu beobachten. Aus der extremen Szene wurden 891 Gewalttaten begangen. Der Minister warnte vor allem vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft der Autonomen Nationalsozialisten, die Jugendliche ansprechen und sich von den Autonomen der linksextremen Szene äußerlich kaum unterscheiden.