Arbeitsministerium definiert Kriterien für Zusatzleistungen. Sozialverbände kritisieren bürokratischen Aufwand.

Berlin. Eine Woche nach dem Gerichtsurteil zu den verfassungswidrigen Berechnungen der Hartz-IV-Sätze hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Liste der Zusatzleistungen für Härtefälle erarbeitet. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will eine endgültige Version noch in dieser Woche vorlegen. Das entsprechende Gesetz soll zum 1. April in Kraft treten. Wie viele Hilfsbedürftige auf zusätzliche Leistungen hoffen können, ist noch unklar.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vier Kriterien genannt, die erfüllt sein müssen, um zusätzliche Hilfen zu rechtfertigen. Zunächst müsse ein "unabweisbarer, besonderer Bedarf" vorliegen, der deutlich von der Mehrzahl der Hartz-IV-Empfänger abweicht, aber zwingend zu decken ist, um ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Zweitens muss der Bedarf "laufend" und nicht nur einmalig sein. Drittens darf es keine Leistungen von Dritten geben, etwa durch die Krankenkasse oder Angehörige. Viertens muss der Bedarf "so erheblich" sein, dass er durch Sparen nicht zu finanzieren ist.

In dem Entwurf der Härtefall-Liste, die das Bundesarbeitsministerium derzeit prüft, werden laut BA vier Beispiele genannt:

- Chronisch Kranke sollen künftig auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente bezahlt bekommen. Zum Beispiel Menschen, die unter Neurodermitis leiden.

- Rollstuhlfahrer sollen Kosten für Putz- und Haushaltshilfen geltend machen können.

- Fahrtkosten sollen übernommen werden, damit Kinder getrennt lebender Paare ihre Eltern besuchen können.

- Außerdem will die BA die Kosten für Besuche bei in Haft sitzenden Ehepartnern oder Eltern übernehmen.

Angeblich steht auf der Liste auch die Übernahme von Nachhilfekosten für versetzungsgefährdete Schüler. Das wurde gestern aber nicht bestätigt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte befunden, dass die aktuellen Hartz-IV-Sätze zwar für den Lebensunterhalt ausreichen, dass Bedürfnisse, die darüber hinausgehen - beispielsweise Theaterbesuche oder die Mitgliedschaft in Sportvereinen -, aber zu kurz kommen. Auch die finanziellen Bedürfnisse von Kindern seien nicht korrekt ermittelt worden, urteilte Karlsruhe.

Das Bundessozialgericht hatte bereits im Herbst 2008 entschieden, dass Jobcenter die Kosten für Klassenfahrten übernehmen müssen, wenn das Hartz-IV-Budget dafür nicht ausreicht. Höchstrichterliche Begründung: Ein Schüler, dessen Familie von Hartz IV lebe, habe es ohnehin schon schwerer als seine Klassenkameraden. Ihn aber zu Hause bleiben zu lassen, während sich die Freunde auf einer Schulfahrt vergnügten, sei "eine unzumutbare Ausgrenzung".

Der Sprecher des Sozialverbands VdK, Michael Pausder, verlangte gestern eine Ausweitung des Härtefall-Begriffs. "Alles, was dem Fortkommen der Bildung von Kindern dient, muss auch im Rahmen von Hartz IV geregelt werden", sagte Pausder.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, warnte vor einem zu restriktiven Vorgehen bei der neuen Definition von Härtefällen. "Das Leben birgt oft Härten, die man sich gar nicht vorstellen kann."

Beide Verbände fordern zudem die Wiedereinführung der Leistungen für einmalige Anschaffungen wie Waschmaschinen oder Kühlschränke. Dass Hartz-IV-Empfänger dafür Darlehen bei den Behörden aufnehmen und sich oft zusätzlich an die Sozialhilfe wenden müssten, bedeute einen "wahnsinnigen bürokratischen Aufwand", kritisierte Schneider.

Die Kosten für größere Anschaffungen sind seit der Hartz-Reform mit dem Regelsatz von 359 Euro verrechnet.